Die Heilerin des Sultans
einen Betrüger oder um einen Kunden handelte.
Nachdem Falk ihm sein Anliegen erläutert und die Bankgarantie
nebst Begleitbrief des Schwagers aus der Tasche gezogen hatte,
änderte sich das Verhalten des Älteren jedoch schlagartig;
und er lud sowohl ihn als auch Otto mit einer herzlichen Geste ein,
ihm zu seinem Palazzo zu
folgen. Dieser, die Casa
Datini, schien Falk der wohl
schönste und reichste Palast der Stadt – Wohn- und
Lagerhaus, Kontor und Bank in einem. Dort ließ der Italiener
die beiden Reisenden mit einem Imbiss aus Käse, Oliven, Wein und
frisch gebackenem Brot bewirten, während er sich zurückzog,
um ein ähnliches Schreiben für seine Filiale im Orient
aufzusetzen. »Damit bekommt Ihr in jeder größeren
Stadt von hier bis Damaskus den auf dem Dokument aufgeführten
Betrag«, erläuterte er und drückte sein Siegel in das
weiche Wachs. »Und hier sind die fünfzig Dukaten in bar,
um die Ihr gebeten habt.« Bevor er Falk die Geldkatze
aushändigte, schob er diesem ein Schriftstück zu, das der
Knabe unterzeichnete und das der Venezianer mit etwas Sand
abtrocknete. »Ich würde Euch liebend gerne meine
Gastfreundschaft anbieten«, sagte Datini, als Falk und Otto
sich schließlich von den bequemen Stühlen erhoben. »Aber
das Gesetz verbietet es jedem Venezianer bei empfindlicher Strafe,
Händler aufzunehmen.« Er hob entschuldigend die Schultern.
»Es gibt also nur die Möglichkeit, Euch im Fondaco
dei Tedeschi oder einem
Gasthof einzumieten . «
Falk nickte stumm und verstaute den ledernen Beutel unter seiner
Schecke. Welch eine Freude, endlich wieder Geld in der Tasche zu
haben! »Wir wollen nicht lange bleiben«, versetzte er mit
neuer Zuversicht in der Stimme. »Sobald wir die nötigsten
Einkäufe getätigt und einen Geleitbrief beschafft haben,
werden wir uns auf der Muda di
Romania einschiffen, um so
schnell wie möglich aufzubrechen.« Die Brauen des
Italieners wanderten in die Höhe. »Die Muda ?«,
fragte er verwundert. »Dafür, fürchte ich, seid ihr
eine Woche zu spät. Sie hat am vergangenen Freitag den Hafen
verlassen.«
Kapitel 25
Konstantinopel,
Frühsommer 1400
Die Lage
spitzte sich zu. Mit einem bitteren Lachen zerknüllte Johannes
Palaiologos die Nachricht von seinem Onkel, dem Kaiser, und warf sie
achtlos auf den Boden – um sie kurz darauf wieder aufzuheben
und ein weiteres Mal zu lesen. Vielleicht war das Schreiben ja doch
nicht so wertlos, wie er zuerst gedacht hatte. Noch reichte der Zorn
der Bewohner Konstantinopels nicht zur offenen Rebellion gegen den
Kaiser aus; aber vielleicht half es, die Neuigkeit zu streuen, die
Manuel ihm mitgeteilt hatte. Konnte die offene Weigerung des Papstes
Bonifaz IX., zu einem weiteren Kreuzzug gegen die Osmanen aufzurufen,
die hungernde Bevölkerung endgültig davon überzeugen,
dass Bayezid die klügere Alternative war? Vor allem, da der
Kaiser bereits vor Monaten in aller Heimlichkeit seine Familie zu
seinem Bruder nach Griechenland geschafft hatte. Er kratzte sich
nachdenklich den Bart. Immerhin waren die Einwohner der ehemals
mächtigen Kaiserstadt inzwischen so verzweifelt, dass viele von
ihnen mit Seilen über die Stadtmauer flohen, um sich den
Belagerern auszuliefern. Was sollte sie dann davon abhalten, sich
offiziell dem Sultan zu ergeben? Mit seinem guten Auge schielte
Johannes zu den kaiserlichen Wachen, deren Loyalität ebenfalls
zu schwinden schien. Stimmten die Gerüchte, hatte sogar
Matthäus, der Patriarch der Stadt, in der Zwischenzeit ein
heimliches Abkommen mit Bayezid getroffen, das ihm erlaubte, seine
Stellung als Kirchenoberhaupt beizubehalten, sollte die Stadt an die
Osmanen fallen. Wie immer, wenn er aufgewühlt war, rieb Johannes
die tote linke Seite seines Gesichtes. Doch sobald ihm diese
verräterische Geste bewusst wurde, ließ er hastig die Hand
zurück an seine Seite fallen. Wenn er es schlau anstellte,
konnte er sich vielleicht die Unterstützung des Patriarchen
sichern. Offensichtlich fürchtete dieser den Ausgang von Kaiser
Manuels Bettelfahrt genauso wie Johannes selbst. Zwar stand für
den Kirchenmann nicht der Thron auf dem Spiel, wohl aber die
Wahrhaftigkeit seines Glaubens, die durch eine mögliche Union
mit Rom bedroht war. Warum war er nicht schon vorher auf diesen
Gedanken gekommen? Während er sich von dem übermannshohen
Fenster abwandte und zurück in den Audienzsaal schlenderte,
beschloss er, so bald als möglich ein Treffen mit Matthäus
zu arrangieren.
Doch
vorher musste er
Weitere Kostenlose Bücher