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Die Heilerin des Sultans

Die Heilerin des Sultans

Titel: Die Heilerin des Sultans Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvia Stolzenburg
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erleuchtete Gasthäuser,
Bordelle und Badehäuser, die allem Anschein nach mehr als gut
besucht waren. Ein Stachel der Reue bohrte sich in Falks Brust. Noch
weiter konnte er sich von seinem Vorsatz, zur Beichte zu gehen,
vermutlich nicht entfernen! Als unversehens ein grob
zusammengezimmerter Galgen vor ihnen auftauchte, an dem eine junge
Frau baumelte, erschrak er so heftig, dass er um ein Haar mit Otto
zusammengeprallt wäre. Aus dem hässlichen Stumpf, wo einst
ihre Hand gewesen war, tropfte noch Blut zu Boden – ein
Umstand, der verriet, dass ihre Hinrichtung noch keine Stunde her
sein konnte.
        »Hier
wird nicht lange gefackelt«, stellte der Katzensteiner mit
einem Seitenblick auf die Diebin fest, bevor er auf eine Taverne
zusteuerte, die den einladenden Namen Dal
commerciante allegro –
Zum fröhlichen Kaufmann – trug. Befremdet über die
Kaltschnäuzigkeit, mit der sein Onkel den grausigen Anblick
abtat, wandte Falk den Blick von der Toten ab und betrat kurz darauf
eine drückend heiße, bis zum Bersten mit Gästen
vollgestopfte Schenke. Erstickend hing die schwüle Luft der
Lagune in dem großen Raum, dessen niedrige Decke von starken
Balken getragen wurde, und bereits nach wenigen Schritten spürte
Falk, wie sich ein Schweißfilm über sein Gesicht legte.
Der durchdringende Gestank zu vieler Menschen vermischte sich mit dem
eigentümlichen Aroma eines Fleischgerichtes, das von einem
fülligen Wirt in Holzschüsseln abgefüllt wurde.
Überlagert wurde dieses Gemisch von dem einladenden Duft heißen
Weines; und wenngleich Falk bis vor Kurzem keinen Hunger verspürt
hatte, lief ihm das Wasser im Mund zusammen. Dicht hinter Otto schob
und drängte er sich durch die kunterbunt zusammengewürfelte
Menge, unter der sich selbst ganz in Weiß gekleidete Osmanen
befanden. Neugierig beobachtete Falk, wie sie etwas Dampfendes aus
kleinen Schalen nippten, die sie immer wieder an die gespitzten
Lippen hoben. Bevor er seine Betrachtung jedoch vertiefen konnte,
zupfte ihn sein Onkel am Ärmel und wies mit dem Kinn auf eine
kleine Nische, in der soeben ein Tisch frei geworden war. Gestützt
auf den Arm eines Knaben, wankte ein offensichtlich mehr betrunkener
als fröhlicher Händler in das Getümmel, das ihn und
seinen Begleiter innerhalb weniger Augenblicke verschluckte. Ehe die
anderen Gäste den freien Platz bemerkt hatten, warfen Falk und
Otto sich auf die harte Bank, und der Knabe blickte sich weiter um.
Als ob in dem Moment, in dem er die anderen Gäste mit den Augen
abtastete, ein Damm in seinem Inneren brach, kehrte die verloren
geglaubte Abenteuerlust mit solcher Gewalt zurück, dass Falk
erstaunt über sich selbst die Stirn runzelte. So inmitten des
pulsierenden Lebens der Handelsmetropole, verpuffte sein Missmut wie
eine Rauchwolke, und er langte fast schon wieder heiter nach der
Geldkatze an seinem Gürtel. »Du wartest hier«,
wehrte Otto ab und machte Anstalten, sich zu erheben. »Ich
besorge uns alles Nötige.«
        Ohne
zu zögern, schob Falk ihm einen der venezianischen Dukaten, die
er von Datini erhalten hatte, über den Tisch; und wäre er
nicht voll und ganz damit beschäftigt gewesen, die neuen
Eindrücke zu verarbeiten, hätte er die Gier in Ottos Augen
aufflackern sehen. So allerdings verfolgte er bereits fassungslos wie
ein barbusiges Mädchen nicht weit von ihm einem Gast auf den
Schoss glitt und diesem die Brüste ins Gesicht drückte. Er
errötete, als die Dirne ihm über die Schulter ihres Freiers
hinweg zuzwinkerte. Waren sie hier in einem Hurenhaus gelandet?,
fragte er sich unangenehm berührt, da sein Körper heftig
auf das unsittliche Schauspiel ansprach. Mit brennenden Wangen biss
er sich auf die Unterlippe und wandte den Blick in die
entgegengesetzte Richtung, um sich mit dem bunten Treiben abzulenken.
Die schwarzen Umhänge der venezianischen Kaufleute vermischten
sich mit den farbenfrohen Trachten der Seeleute und Ausländer zu
einem lebhaften Teppich, der schon bald vor seinen Augen verschwamm,
als er die Gedanken zurück zu dem Besuch bei Datini wandern
ließ. Wie hatte er sich nur so leicht aus dem Konzept bringen
lassen können? Was war mit der Entschlossenheit geschehen, mit
der er aus Ulm aufgebrochen war? Hatte er wirklich so leicht aufgeben
wollen? Scham über den eigenen Kleinmut stieg in ihm auf. Was
hieß es schon, dass Datini es für gewagt hielt, mit einem
der weniger gut bewachten Handelskonvois in See zu stechen? Immerhin
war der Mann ein Bancherius und nicht

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