Die Heilerin des Sultans
zu beruhigen, ließ sie die satte Blütenpracht
unter dem Fenster vor den Augen verschwimmen und bemühte sich,
ihren Geist zu leeren.
Nachdem
sie eine lange Zeit so dagestanden hatte, fuhr sie sich mit den
Handflächen über das feuchte Gesicht – dankbar
darüber, am heutigen Tag auf Schminke verzichtet zu haben. Ob
ihre Konkurrentinnen ähnliche Intrigen spannen wie sie?, fragte
sie sich, obwohl sie die Antwort ahnte. Geistesabwesend wickelte sie
eine der blonden Locken um den Zeigefinger. Seit der Sultan vor
einiger Zeit seinen Sohn Mehmet persönlich im Schwertkampf
unterrichtet hatte, herrschte Zwist zwischen den Konkubinen des
mächtigen Herrschers, da jede von ihnen den eigenen Sprössling
als zukünftiges Oberhaupt des Hauses Osmans sah. Und wenn etwas
auf das Geplapper der Jariyes zu geben war, hatte sich der
Streit zwischen Devlet Hatun, der Mutter des Prinzen Mehmet, und der
Mutter des Prinzen Musa inzwischen so zugespitzt, dass die beiden
gewaltsam voneinander ferngehalten werden mussten. Ihre Mundwinkel
wanderten nach oben. Vielleicht gingen die beiden ja so weit, die
Brut der anderen auszulöschen. Dann würde Bayezid sich in
ihre Arme flüchten; und sie würde ihn endlich davon
überzeugen, dass es besser war, mit ihr, seiner Gemahlin, einen
Sohn zu zeugen, als mit einer Sklavin! Als unvermittelt ein Blitz
über den Himmel zuckte, fuhr sie erschrocken zusammen und wich
hastig vom Fenster zurück, da zeitgleich mit dem Donner die
ersten dicken Tropfen auf das Blattwerk der Bäume und Büsche
klatschten. Sie musste abwarten. Je mehr Zeit ins Land ging, desto
besser standen ihre Chancen, sich den Sultan gefügig zu machen.
Aus sicherem Abstand verfolgte sie, wie Blütenblätter durch
die Luft wirbelten und wie sich der Regen zu kleinen Rinnsalen
sammelte, welche die bunten Kiesel unterspülten. Innerhalb
weniger Augenblicke verwandelten sich die schweren Tropfen in dünne
Fäden, die von dem aufkommenden Sturm gegen die Mauern der
Gebäude gepeitscht wurden. Schon bald wirkten die ansonsten
strahlend weißen Mauern des Palastes schlammig und
schmutzbesudelt. Mit einem letzten Blick auf das Naturschauspiel zog
Olivera sich ins Innere des Gemaches zurück und griff nach einer
der in Honig getränkten Datteln, die auf einem silbernen Tablett
lockten. Immer noch grübelnd lutschte sie den klebrigen Überzug
von der weichen Frucht, bevor sie die Zähne hineingrub und
genüsslich kaute. Zuerst einmal musste Bayezid wieder gesund
werden. Ihre ansonsten glatte Stirn legte sich in Falten. Und sie
musste in Erfahrung bringen, wer es war, der ihm nach dem Leben
trachtete.
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Sapphiras
Herz schlug wie ein Vogel. Zwar hatte sich der Zustand des Sultans in
den vergangenen Tagen erheblich gebessert, aber ihre Knie
verwandelten sich immer noch jedes Mal in Butter, wenn sie sich an
den schwer bewaffneten Janitscharen vorbei in das königliche
Gemach duckte. Wenn sie daran zurückdachte, wie knapp sie und
die Tabibe dem Tod entgangen waren, verkrampfte sich ihr
Magen; und sie war beinahe froh, als sie neben der Heilerin zu Boden
sinken konnte. So hatte sie wenigstens einige Momente Zeit, das
Zittern ihrer Glieder unter Kontrolle zu bringen und sich mit den
tiefen, bedächtigen Atemzügen zu beruhigen, welche die Tabibe ihr beigebracht hatte. Was wohl geschehen wäre,
wenn es länger gedauert hätte, bis die Medizin der Ärztin
Wirkung gezeigt hatte? Die Erinnerung an die Spannung, welche die
Luft im Gemach des Padischahs zum Knistern gebracht hatte,
jagte ihr auch heute noch kalte Schauer über den Rücken.
Insgeheim hatte sie sich schon Dutzende Male gefragt, welche grausame
Todesart der Großwesir für sie und ihre Herrin ausersehen
hatte. Sie zwang sich, ihre Gedanken auf die bevorstehende Aufgabe zu
richten, da die Vorstellung ihrer eigenen Hinrichtung nicht gerade
dazu beitrug, sie zu beruhigen. Nachdem sie sich erhoben hatte, zog
sie instinktiv die Yashmak – den Schleier vor ihrem
Gesicht – etwas weiter nach oben, sodass die Wimpern ihres
Unterlides den Stoff streiften. Auch wenn sie wusste, dass sie sich
etwas vormachte, gab ihr diese dünne Barriere ein Gefühl
der Sicherheit: Das Gefühl, vor den harten Blicken der Leibgarde
geschützt zu sein. Zwar hatte sie sich vor ihrem ersten Besuch
im Flügel des Sultans entgegen aller Tatsachen nichts sehnlicher
gewünscht als dass Bayezid – von ihrer Schönheit
geblendet – ihr augenblicklich seine Gunst erwies. Doch hatte
sich dieser Wunsch schon
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