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Die Heilerin des Sultans

Die Heilerin des Sultans

Titel: Die Heilerin des Sultans Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvia Stolzenburg
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Nasenspitze an.« »Nein,
nein«, druckste das dunkelhäutige Mädchen, doch keine
zwei Atemzüge später entschlüpfte ihr ein
sehnsuchtsvolles Seufzen. »Kannst du ein Geheimnis bewahren?«,
fragte sie eifrig und beugte sich so weit vor, dass Sapphira jede
einzelne der dichten Wimpern ausmachen konnte. »Du musst bei
allem, was dir heilig ist, schwören, dass du mich nicht
verrätst!« So viel Dringlichkeit lag in ihrer Stimme, dass
diese drohte, zu kippen. Die vollen Lippen bebten leicht, und die
Anspannung in ihrer Haltung verriet, dass sie kurz davor war, etwas
hervorzusprudeln, das sie nicht mehr für sich behalten konnte –
egal wie sehr sie es versuchte. Auch wenn eine Stimme in ihrem
Inneren sie davor warnte, solch ein Versprechen einzugehen, nickte
Sapphira nach einem kurzen Zögern, und augenblicklich ergriff
das andere Mädchen ihre Hand. »Komm mit«, drängte
es und ignorierte den Protest der Gefährtin, da diese ihr Mahl
noch nicht beendet hatte.
        Kurz
darauf fand sich Sapphira in dem spärlich beleuchteten Gang
wieder. Doch anstatt in Richtung Schlafkammer führte die
Freundin sie an das Ende des Korridors, das am weitesten von der
Eingangstür entfernt lag. Dort angekommen, zwängte sie sich
zwischen zwei Säulen hindurch, hinter denen eine kaum vier Hand
breite Holztür in einen Hinterhof führte. Hier stapelten
sich Abfälle, Säcke und zerschlissene Teppiche, deren
Umrisse von alten Vogelnetzen verwischt wurden. Nachdem sich ihre
Augen an die Dunkelheit gewöhnt hatten, erkannte Sapphira auch
ein altes Brunnenbecken, hinter dem Gülbahar zwischen einer
dichten Gruppe von Akazien verschwand. Dankbar darüber, dass
wenigstens ein sichelförmiger Mond am Himmel stand, kniff sie
die Augen zusammen und versuchte, sich zu orientieren. Wo waren sie?
Wenige Schritte zu ihrer Linken erhob sich die zwölf Fuß
hohe innerste Mauer des Palastes, die mit eisernen Stacheln gespickt
war. Zu ihrer Rechten versperrte ausgefranstes Blattwerk den Blick,
doch Sapphira nahm an, dass dahinter die fensterlose Rückwand
der Dormitorien verborgen lag. Was bedeutete, dass die Quartiere der
schwarzen Eunuchen direkt hinter der Mauer sein mussten! »Was
sollen wir hier?«, flüsterte sie aufgeregt, als ihr klar
wurde, was die Bewacher der Frauen mit ihnen anfangen würden,
wenn sie sie mitten in der Nacht im Freien erwischten. »Was,
wenn uns jemand sieht?!« Das Weiß von Gülbahars
Augen hob sich von dem dunklen Hintergrund ab, als diese sich zu der
Freundin umwandte und den Zeigefinger an die Lippen legte. »Keine
Angst«, erwiderte sie leise. »Ich komme beinahe jeden Tag
hierher und bis jetzt hat mich noch nie jemand ertappt.« Sie
brachte den Mund näher an Sapphiras Ohr, sodass diese den warmen
Atem des anderen Mädchens spüren konnte. »Er heißt
Andor und ist ein Civelek – ein frisch gebackener Janitschar!« Ihr Schlucken war deutlich
hörbar in der plötzlich unheimlichen Stille der Nacht. »Und
ich liebe ihn.«
        Sapphiras
Augen weiteten sich ungläubig. Unwillkürlich trat sie einen
Schritt von der Freundin zurück – wie um Abstand von dem
soeben Gehörten zu gewinnen. »Ich werde ihm ein
Liebespfand kaufen«, wisperte das dunkelhäutige Mädchen
und schob einige tief hängende Zweige zur Seite, hinter denen
eine niedrige Tür sichtbar wurde. Während ihr Verstand
versuchte, diese ungeheuerliche Neuigkeit zu verarbeiten, breitete
sich lähmende Furcht in Sapphiras Gliedern aus. »Bist du
wahnsinnig«, brachte sie schließlich heiser hervor und
packte die Gefährtin am Ärmel, um sie von dem Durchgang
wegzuziehen. »Hast du vollkommen den Verstand verloren? Weißt
du, was geschehen wird, wenn jemand davon erfährt?« Obwohl
es im silbernen Schein des Mondes wirkte als habe ihre Haut an Farbe
verloren, zuckte die junge Frau die Achseln und warf einen
sehnsüchtigen Blick über die Schulter. »Ja«,
erwiderte sie kleinlaut. »Man wird uns beide töten.«
Doch dann hob sie den Kopf und sah Sapphira kampfeslustig an. »Aber
es wird niemand davon erfahren!«, erklärte sie bestimmt.
»Du hast versprochen, das Geheimnis für dich zu behalten,
und Andor ist vorsichtig. Ich warte jeden Tag zur vereinbarten Stunde
auf ihn. Aber wenn es nicht sicher ist, kommt er nicht.« Am
liebsten hätte Sapphira sich die Ohren zugehalten. Ich will es
nicht wissen, dachte sie mit einem mulmigen Gefühl in der
Magengrube. Ich will es überhaupt nicht hören! Denn damit
werde ich zum Mitwisser. Bevor sie sich ausmalen

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