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Die Heilerin des Sultans

Die Heilerin des Sultans

Titel: Die Heilerin des Sultans Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvia Stolzenburg
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Frauen feuchter und poröser waren als
Männer, bestand dann nicht die Gefahr, dass das Kind im Bauch
starb, bevor es zur Welt kam? Und wenn der Grund dieser Schwachheit
war, dass der weibliche Körper die Nahrung nur bis zur
vorletzten Stufe, dem Menstruationsblut, verkochen konnte –
anstatt bis zum Samen wie der Mann – warum konnten Frauen dann
männliche Kinder zur Welt bringen? Als »verstümmeltes
Männchen« sollten sie dazu doch eigentlich gar nicht in
der Lage sein. Mit wirrem Kopf legte sie ihre Lektüre zur Seite
und starrte in die Flamme, bis bunte Kreise vor ihren Augen zu tanzen
begannen. Aristoteles würde warten müssen. Eigentlich hatte
sie in einer der Abhandlungen über Wundbehandlung etwas
nachschlagen wollen, doch wie so oft hatte der Wissensdurst sie
gepackt, und sie hatte weiter gestöbert. Leise seufzend klappte
sie das Buch vor sich zu, stellte es zurück an seinen Platz und
machte sich auf zu ihrer letzten Runde durch das Hospital.
        Eine
halbe Stunde später trat sie in die Nacht hinaus und sog für
einige Augenblicke die angenehm kühle, frische Luft ein. An
einem Himmel, der schimmerte wie schwarzer Samt, funkelten Tausende
von Sternen. Sie sehen aus wie goldene Tränen, dachte Sapphira,
und riss sich nur widerwillig von dem Anblick los, der an eine
verzauberte Welt erinnerte. Wie friedlich alles auf einmal schien. So
ganz anders als am Tage. Da ihr Zögern die Aufmerksamkeit der
Wachen auf sich zog, schlug sie jedoch hastig den Blick nieder und
huschte an ihnen vorbei durch den Torbogen in den innersten Bereich
des Palastes. Bei den Dormitorien angekommen, ignorierte sie den
säuerlichen Blick der alten Aufseherin und schlich in den
kleinen Raum, in dem tagsüber die Mahlzeiten der Mädchen
serviert wurden. Im schwachen Schein einer Öllampe kauerte dort
bereits jemand auf einer Bastmatte, vor der sich mehrere Schalen
türmten. »Gülbahar!«, rief Sapphira freudig
überrascht aus, da sie die Freundin seit dem Tod des Hekims kaum mehr außerhalb des
Hospitals zu Gesicht bekam. »Sapphira«, nuschelte das
dunkelhäutige Mädchen mit vollen Backen und schob der
Gefährtin eine Schüssel zu. »Es ist nicht mehr viel
da, aber es ist besser als gar nichts.« Aufgrund der Tatsache,
dass sie meist spät von ihrem Dienst zurückkehrten, hatten
die Wächterinnen Anweisung von der Tabibe erhalten, den Mädchen
etwas von den Speisen aufzuheben und sie zu jeder Tages- und
Nachtzeit frei passieren zu lassen. Was einen Grad an Freiheit
darstellte, um den sie viele der anderen Sklavinnen beneideten. Aber
nur, solange sie nicht mit ihnen tauschen mussten, dessen war sich
Sapphira sicher. Zwar hatte sie sich inzwischen mehr oder weniger an
die oft furchtbaren Verletzungen der Janitscharen gewöhnt –
was jedoch nicht bedeutete, dass ihre Träume nicht von ihren
Schreien heimgesucht wurden. Sie ließ sich mit
untergeschlagenen Beinen neben der anderen jungen Frau nieder und
griff nach einem Stück Fladenbrot, das sie in Olivenöl
tunkte, bevor sie hungrig hineinbiss.
        Eine
Weile kauten sie schweigend – jede in die eigenen Gedanken
vertieft – bis Gülbahar sich die Fingerspitzen leckte und
ihre Schale mit einem zufriedenen Geräusch von sich schob.
»Stell dir vor, was ich heute gehört habe«, platzte
sie nach einigen Augenblicken heraus, in denen sich ihre Aufregung
deutlich spürbar auf Sapphira übertrug. Als ginge ein
unsichtbares Zittern von ihr aus, welches die Luft in Bewegung setzte
und alles um sie herum zum Vibrieren brachte, strahlte die junge Frau
urplötzlich eine Unruhe aus, die Sapphira die Brauen heben ließ.
»Es sollen fahrende Händler in den Palast kommen!«
Die weißen Zähne des Mädchens schimmerten, als sich
ein breites Lächeln auf seinem Gesicht ausbreitete. »Es
heißt, dass jede von uns sich etwas kaufen darf!«
»Wirklich?«, fragte Sapphira erstaunt, und obwohl sie
vermutete, dass ihr magerer Lohn nicht ausreichen würde, um
etwas Besonderes zu erstehen, keimte Vorfreude in ihr auf. »Woher
weißt du das?« »Die Meisterin hat es mir gesagt«,
entgegnete die Freundin, der es inzwischen sichtlich schwerfiel,
still zu sitzen. Die langen, schlanken Finger kneteten nervös
den Saum ihres Gewandes, der so weit nach oben gerutscht war, dass
ihre Knie sichtbar waren. »Das ist doch nicht alles«,
stellte Sapphira nach einigen Momenten schließlich misstrauisch
fest und fasste ihr Gegenüber kritisch ins Auge. »Da ist
noch mehr. Das sehe ich dir an der

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