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Die Heilerin des Sultans

Die Heilerin des Sultans

Titel: Die Heilerin des Sultans Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvia Stolzenburg
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und hakte sich bei
Gülbahar unter, deren Tränen inzwischen stumpfer
Schicksalsergebenheit gewichen waren. Obwohl ihr die Freundin
leidtat, regte sich dennoch Ärger in ihr, da diese die Gesetze
des Harems übertreten
und Bayezid hintergangen hatte. Wie hatte Gülbahar sich nur in
einen gewöhnlichen Fußsoldaten verlieben können, wo
ihr alle Tore offen standen und sie bereits die Aufmerksamkeit des
Sultans auf sich gezogen hatte? Dass sie selbst diesen prächtigen
Herrscher noch vor wenigen Tagen alles andere als bedingungslos
bewundert hatte, ignorierte sie geflissentlich.
        Am
Eingang zu den Gemächern der Valide trennten sie sich. Da es dem Kapi Agha – dem
Verwaltungsoberhaupt des Hospitals – inzwischen gelungen war,
einen jungen Hekim aufzutreiben, welcher der Tabibe unterstellt
war, hatte sich die Lage im Hospital entspannt; und sowohl Sapphira
als auch Gülbahar genossen weiterhin die Unterweisung, deren
Ziel die vollkommene Beherrschung der Liebeskünste war. Während
ihre dunkelhäutige Gefährtin sich auch in Zukunft im Tanz
üben durfte, hatte die Sultansmutter Sapphira ungnädig
entlassen und in die Hände eines Meisters der Dichtkunst
übergeben. Dieser, ein alter Eunuch mit sanften Augen, empfing
die Mädchen mit einem verschmitzten Ausdruck auf dem faltigen
Gesicht, das einer vertrockneten Feige glich. »Ah, da seid ihr
ja, meine Täubchen«, flötete er vergnügt und
wies seine Schützlinge an, sich mit ihren Wachstafeln auf den
überall verteilten Kissen niederzulassen. »Ein besserer
Tag als der heutige ist kaum möglich, um ein Lobgedicht auf den Padischah zu
verfassen«, schwärmte er und ließ sich unelegant mit
untergeschlagenen Beinen auf einen ledernen Sitzsack fallen, der
knarzend unter seinem Gewicht nachgab. Die buschigen Brauen wanderten
in die Höhe, während er mit seinen langen Fingern in der
Luft wild gestikulierte, als müsse er lästige Fliegen
verscheuchen. »Schreibt in Versen, so wie ich es euch gelehrt
habe«, forderte er die Mädchen auf. »Schreibt, wie
sehr ihr euren Herrn vermisst, wie euer Herz blutet und wie wenig
Sinn das Leben ohne ihn hat.« Er schürzte die Lippen. »Und
denkt dabei daran, dass es ebenso ein Lobgedicht ist wie eine
Liebeserklärung, mit der ihr dem Großherrn huldigt.«
Froh darüber, der Ziemlichkeit halber beim Ankleiden die Yashmak um den Kopf gewunden zu
haben, verzog Sapphira unter dem Schleier den Mund zu einem Lächeln,
da der Eifer des Dichtlehrers sie auch heute erheiterte. Während
ihre Mitschülerinnen leise stöhnten, griff sie ohne zu
zögern nach dem beinernen Stilus, um die ersten Worte in den
weichen Untergrund einzuritzen. Anders als der Bauchtanz, fiel ihr
das Verfassen von Versen so leicht, dass sie sich bereits mehr als
einmal über die Schwierigkeiten der anderen Mädchen
gewundert hatte. Aber vermutlich waren diese nicht bei einem
Schreiber aufgewachsen, der sie schon im zarten Kindesalter die
Schönheit der lateinischen und türkischen Sprache gelehrt
hatte.
     
    »Bei
seiner Stirne hellem Schein
    Und
seiner Rosenwange: Nein!«,
     
    begann sie
und kaute einige Momente lang an dem Griffel, um ihre Gedanken zu
ordnen. Dabei beschwor sie das Bild des strahlenden Kriegsherrn
herauf, und wie bei ihrer ersten Begegnung mit Bayezid Yilderim überwältigten sie von neuem Hochachtung und
Ergebenheit. Welcher Teufel hatte nur die schändlichen Gedanken
in ihren Verstand gepflanzt? Heiße Scham übergoss ihre
Wangen, als sie daran zurückdachte, wie sie den Sultan für
seine Schwäche verachtet hatte. Vermutlich wäre jeder
andere, jeder gewöhnliche Mensch allein an den Schmerzen
zugrunde gegangen! Hatte die Tabibe ihr nicht erklärt,
wie grauenvoll die Qualen waren, welche durch die Krankheit, an der
er gelitten hatte, verursacht wurden? Voller Entschlossenheit grub
sie den Stilus erneut in das Wachs und fuhr mit dem Lobgesang
fort, der mit aller Gewalt aus ihr hervorsprudelte.
     
    »Sobald
er sich zum Gehen wand’,
    Ließ
ihn mein Blick nicht mehr allein.
     
    Schnell
stand ich auf, ihm hinterher!
    Und fiel
über mein eignes Bein.
     
    Ich
holterte und polterte
    Und
stolperte ihm hinterdrein;
     
    Er
hüpfte leicht und ohne Sturz
    Wie die
Gazelle querfeldein.
     
    Sein
Herz ist gegen mich so hart,
    Als wäre
es ein Herz aus Stein.
     
    Es
brennt mein Eingeweide mir.
    Er
stürzte es in Höllenpein!
     
    Die
Wange drück’ ich in den Staub,
    Wie
Regen fließt die Träne mein.
     
    Ach,
welch ein Jammer! Welch ein

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