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Die Heilerin des Sultans

Die Heilerin des Sultans

Titel: Die Heilerin des Sultans Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvia Stolzenburg
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den
raffinierten Seemann die immer wieder aufkeimende Sorge. Wie oft der
Italiener diesen Betrug wohl schon erfolgreich abgewickelt hatte?
Vielleicht konnte Otto sich nach seiner Rückkehr als stiller
Partner in sein Geschäft einkaufen. Als nach einiger Zeit die
gerefften Segel eines halben Dutzend Koggen in Sicht kam, beschloss
Otto, diesen Vorschlag so bald als möglich vorzubringen. Man
konnte schließlich nicht sicher genug gehen!

Kapitel 32
     
    Bursa,
Sommer 1400
     
    Der
Aufbruch der Armee stand kurz bevor. Drei Wochen waren vergangen,
seit das Kriegsbanner mit den sechs Pferdeschweifen im äußersten
Hof platziert und der Befehl zur Mobilmachung in die Provinzen
geschickt worden war. »Gütiger Himmel!«, murmelte
Sapphira, nachdem sie sich zwischen den anderen Mädchen nach
vorne bis dicht an die Mauer der Moschee geschoben hatte, die von
einer doppelten Reihe Bewaffneter verlängert wurde. Mehrere
Dutzend Eunuchen versuchten, die Frauen davon abzuhalten, näher
an das Geschehen zu rücken, doch der Erfolg ihrer lautstarken
Bemühungen war eher bescheiden. Dröhnend scholl in
regelmäßigen Abständen das Schlagen gewaltiger
Kesselpauken über die Köpfe der Versammelten hinweg; und
das Getöse der Mehterhane – der
Janitscharen-Kapelle – war so enorm, dass Sapphira nicht die
einzige war, die sich mit einer Grimasse die Ohren zuhielt. Auf
Kamelen thronend droschen die Trommler auf die an ihren Sätteln
befestigten, kunstvoll bespannten Kös ein, begleitet von
Zimbeln und Boru – osmanischen Hörnern –
deren Bläser die stoischen Tiere umringten. Als ginge ihr der
Lärm ebenso an die Nieren wie der jungen Frau, hatte sich die
aufgehende Sonne des Monats Dhu’ l-Qa ’ dah hinter einer Wand aus Wolken versteckt, die wie flammende Finger in
Richtung Westen wiesen. Dank des in der Nacht gefallenen Regens war
der Morgen verhältnismäßig erträglich, doch
viele der Fußsoldaten hatten ihre roten Obergewänder
bereits bis zum Bauch aufgeknöpft. Vor allem den Jüngeren
unter ihnen war die Aufregung anzumerken, mit der sie dem
bevorstehenden Marsch entgegensahen, der vielen von ihnen Tod, Leid
und Schmerz bringen würde. Wimmelnd und dennoch geordnet
umflossen sie die hohen Würdenträger in der Mitte des
innersten Hofes, aus denen der ganz in Gold gekleidete Sultan
hervorstach wie ein strahlender Stern. Wie alle anderen Mitglieder
des Harems hatte auch Sapphira an diesem Tag die Erlaubnis
erhalten, den Abzug des Padischahs und seiner Truppen zu
bejubeln. Aber die schluchzende Freundin an ihrer Seite drohte, ihr
das Schauspiel zu vergällen. »Ich werde ihn nie
wiedersehen«, weinte Gülbahar, die kaum davon abzuhalten
gewesen war, ihrem Andor vor aller Augen um den Hals zu fallen, als
sie ihn inmitten seiner Orta – seiner Einheit –
entdeckt hatte. »Er wird sterben!« »Sei still!«,
zischte Sapphira mit einem besorgten Blick über die Schulter.
Zwar übertönte die Marschmusik der Kapelle so gut wie alle
anderen Geräusche, aber man konnte nie wissen, wer ungefragt
mithörte. »Wenn du für ihn betest, wird ihm nichts
geschehen«, versuchte sie die Freundin zu trösten. Doch
die Verzweiflung, die von ihr ausging, schien sich mit jeder Sekunde
zu verstärken.
        Als
wäre es das Normalste auf der Welt, knetete das
tränenzerflossene Mädchen eine weiße Börk – die Filzmütze
der Janitscharen – welche sie ohne Zweifel von ihrem Liebhaber
als Zeichen seiner Ergebenheit erhalten hatte. »Um Gottes
Willen«, warnte Sapphira und bedachte das Corpus
delicti mit einem ängstlichen
Blick. »Versteck das Ding!« Als ob die Sorge, in dem
kleinen Garten beobachtet worden zu sein, nicht ausreichte! Wenn die Valide oder
irgendjemand sonst das Pfand entdeckte, war es um Gülbahar ganz
gewiss ebenso geschehen wie um Bülbül. Mit einem Blinzeln
vertrieb Sapphira das Schuldgefühl, das sich jedes Mal in ihr
ausbreitete, wenn sie an die verstoßene Gefährtin dachte,
und verdeckte die Freundin mit ihrem Körper. Nachdem der
verräterische Hut in der blauen Entari verschwunden war, griff
Sapphira nach ihrer Hand und zog sie weiter in Richtung Moschee, um
sich dort mit ihr die Stufen hinauf zu kämpfen. Sicherlich würde
all die Aufregung Gülbahar schon bald von ihrem Liebesschmerz
ablenken. Den ärgerlichen Protest einiger Jariyes ignorierend, bahnten sie sich
einen Weg, bis sie direkt unter einem der Minarette angekommen waren.
Von dort hatten sie freien Blick auf die Soldaten und – vor
allem – auf

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