Die Heilerin - Roman
Lehrlinge nicht mehr imstande wären, ihn aufzuhalten. Ich bezweifelte sogar, dass der Erhabene selbst imstande war, solch einen Schmerz zu bändigen. War das der Grund, warum sie so dringlich nach Lösern suchten? Weil sie kein Pynvium bekommen konnten und mehr Schmerzträger brauchten ?
Wie konnte die Gilde ihnen das antun ? Die Lehrlinge hatten keine Ahnung davon. Keiner von ihnen hätte sich wissentlich damit einverstanden erklärt.
Der Fischer hat es getan.
Nicht Tali. Sie würde sich nicht opfern, um einem adligen Baseeri zu helfen.
»Aylin, ich glaube, der Erhabene benutzt die Lehrlinge anstelle von Pynvium«, flüsterte ich, obwohl ich kaum glauben konnte, dass irgendjemand so abscheulich sein konnte. »Wenn sie nicht mehr heilen können, werden sie nach oben und außer Sichtweite gebracht.«
Aylins Augen weiteten sich. »Wovon sprichst du?«
Ich erzählte ihr, was ich bei Zertanik erfahren hatte, und ihre Augen wurden noch größer.
»Ich muss Tali da rausholen. Ich habe keine Ahnung, wie viel Schmerz sie auf sich genommen hat oder wie lange sie ihn schon trägt. Mindestens einen Tag. Vermutlich seit dem Fährenunglück.«
Das Schankmädchen kam herbei und knallte unseren Fisch und unsere Süßkartoffeln vor uns auf den Tisch. Ich gab ihr einen meiner Oppa, und sie gab mir das Wechselgeld zurück. Es war nicht viel, aber es würde mir für ein weiteres Essen reichen. Ehe sie fortging, bedachte sie Aylin noch mit einem finsteren Blick. Aylin sammelte ein paar Kartoffelstücke ein, die heruntergefallen waren, und legte sie zurück auf ihren Teller. Es schien ihr nie etwas auszumachen, wenn Leute sie schlecht behandelten, weil sie für einen Baseeri arbeitete.
»Ich muss gehen«, sagte ich und stand auf.
Aylin packte meinen Arm und hielt mich fest. »Nein, du musst dich wieder hinsetzen und essen. Du kannst die Heilergilde nicht ohne etwas zu essen im Bauch belagern. Iss. Sofort.«
»Aber ...«
»Nein, sei vernünftig.«
Ich aß schnell und sprach zwischen den einzelnen Bissen. »Kann dein Freund mich da reinbringen?« Ich bezweifelte, dass mir genug Zeit blieb, darauf zu warten, dass sich Jeatar bei mir meldete.
»Ich weiß nicht ... Ich kann ihn fragen. Aber, Nya, du brauchst einen besseren Plan, um zu Tali durchzudringen.«
»Ich denk mir schon was aus, wenn ich erst drin bin.«
»Nein, das reicht nicht. Sie werden dich erwischen und rauswerfen - wenn du Glück hast. Wenn nicht, nehmen sie dich gefangen. Oder schlimmer.« Sie senkte die Stimme, obwohl es recht laut im Raum war. »Denkst du, es würde ihnen gefallen, wenn die Leute wüssten, dass es kein Pynvium mehr gibt ?«
»Nein. Das gäbe eine Panik.«
Aylin nickte. »So schlimm wie im Krieg. Vielleicht sogar noch schlimmer.«
»Aber ich muss da irgendwie rein.«
»Wenn sie wirklich so etwas tun, werden sie dich nie reinlassen. Es ist ein Wunder, dass ich reingekommen bin. Sie haben gerade angefangen, Leute wegzuschicken, als ich gegangen bin. Hast du den Massenauflauf auf dem Gildeplatz gesehen?«
»Dann verkleide ich mich eben. Ich klau mir ein paar Sachen. Irgendwas Grünes, damit ich aussehe wie ein Lehrling.«
Aylin zögerte nur einen Herzschlag lang, dann drückte sie meine Hand. »Komm mit zu mir. Ich weiß, was wir machen.«
Ich hatte schon vergessen, wie schön es war zu baden. Als Aylin damit fertig war, mich mit der blumig riechenden Seife zu schrubben, von der sie so großzügig Gebrauch machte, sah ich beinahe respektabel aus. Ihr Zimmer lag direkt neben dem Waschraum, und ein Teil des Dampfes kroch durch die winzigen Risse in den Wänden.
»Ich bin dir dankbar für deine Hilfe, aber was ist mit deiner Arbeit?«, fragte ich, während ich mein nasses Haar kämmte. »Du kannst doch nicht immer noch Mittagspause machen.«
»Ich habe ihnen erzählt, es gäbe einen Notfall in meiner Familie.«
»Und was, wenn sie dich feuern?«
»Dann such ich mir was anderes.«
Vielleicht war das einfach ihre Art. Wir hatten uns vor ein paar Jahren kennengelernt, als wir beide die Bilge einer Baseeri-Skiff geleert hatten. Für einen Baseeri zu arbeiten hatte mir mehr zu schaffen gemacht als der Gestank, der an mir klebte, aber Aylin hatte lächelnd die dreckige Arbeit erledigt und sogar dafür gesorgt, dass wir Spaß dabei hatten. Der Eigentümer hatte so einen Narren an ihr gefressen, dass er sie weiterempfahl. Mir blieb diese Gunst versagt, allerdings hatte ich auch ziemlich deutlich gemacht, was ich von Baseeris hielt.
»Hier,
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