Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Heilerin - Roman

Titel: Die Heilerin - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
Vom Netzwerk:
erfüllen, dass ich außerstande wäre, Tali zu helfen. Nein zu sagen würde geradewegs zu meinem Rausschmiss führen, und ob ich es noch einmal bis hier schaffen würde, dafür gab es keine Garantie. Meine größte Chance, meine Schwester zu retten, war jetzt. Aber das damit verbundene Risiko war gewaltig.
    Der Ältere grinste mich an wie eine Katze. »Entscheide dich.«
    Leichter gesagt als getan.

Neuntes Kapitel
    B ist du eine Heilerin oder nicht?«
    Ist es das Risiko wert oder nicht?
    »Ich bin eine Heilerin«, sagte ich, ohne mir die Mühe zu machen, das Zittern in meiner Stimme zu verbergen. Angst macht gefügig, und Älteste mögen gefügige Leute.
    »Ausgezeichnet.« Der Älteste pochte mit den Fingern auf meinen Rücken, stupste mich in eine Richtung, die ich wirklich nicht einschlagen wollte. »Die Romanels werden sich sehr freuen.«
    »Aber sie wird hier gebraucht, Ältester Mancov.«
    Der Älteste musterte den Meisterheiler aus zusammengekniffenen Augen. »Du denkst doch sicher nicht, diese Knochenbrüche und Schnittwunden hätten Vorrang vor wirklich schweren Verletzungen ?«
    »Nein, Herr. Wir sind nur so knapp an Heilern.« Wieder das falsche Grinsen. »Wenn du sie diesmal zurückschicken könntest, wenn sie fertig ist - möglichst schnell ?«
    »Gewiss.«
    Wir gingen vorbei an Betten mit Verwundeten, vorbei an geschlossenen Räumen, hinter denen Leid herrschte, und die Stufen hinauf in Richtung Todesqualen. Schritte trippelten die Sekunden fort, die mir blieben, bis ich nicht mehr davonlaufen konnte und womöglich genauso endete wie Tali.
    Vor einer Tür blieben wir stehen. Von dieser Seite aus hätte niemand geahnt, was hinter ihr lauerte.
    Ich spannte mich, bereit, zu fliehen und die Treppe hinaufzustürmen.
    Der Älteste drehte den Knauf und stieß die Tür auf. Drei Menschen. Ein Mann, der an einer Seite des Raumes stand, und zwei Frauen, die auf zusammengeschobenen Betten lagen.
    »Du hast von einer Heilbehandlung gesprochen.« Ich konnte einfach nicht den Mund halten.
    »Es ist nur eine. Schwestern. Die zur Linken war noch bei Bewusstsein, als ihr Bruder sie hergebracht hat. Sie hat sich geweigert, sich von ihrer Schwester zu trennen, obwohl wir ihr nicht helfen können.«
    »Ist sie tot?« Sie sah nicht so aus. Bleich, aber ohne den wächsernen Schein frisch Verstorbener.
    »Nein, aber so gut wie. Ihr Gehirn wurde zerquetscht. Da lässt sich nichts mehr machen.«
    Ein Geschenk, falls ich stark genug war. Ich blickte mich zur Treppe um. Tali war irgendwo da oben, und ich musste einen Weg dorthin finden. Und der beste Weg wäre, wenn der Älteste mich selbst dorthin bringen ließe.
    Wieder betrachtete ich die beiden Schwestern, die sich noch einen halben Schritt vom Tode entfernt aneinanderklammerten. Die sterbende könnte für meine Schwester die Rettung sein.
    Pochenden Herzens, schwitzend und mit einem Zittern in allen Knochen ging ich hinein. Sei stark für Tali. Es hörte sich beinahe an wie Mamas Stimme, aber ich wusste es besser. Mama hätte gesagt, lauf weg. Sie hätte das Kind gerettet, das zu retten war, und um das andere getrauert. Großmama hätte gesagt, nimm dir einen Stuhl und schlag ihn irgendjemandem über den Schädel, aber sie hätte es in ein Sprichwort verpackt, damit es nicht ganz so böse klänge. Papa wäre selbst hier gewesen, und die Leute hätten auf ihn gehört. Er hatte sehr breite Schultern. Ich musste alle drei auf einmal sein.
    Der Bruder trat mit der gleichen hoffnungsvollen und zugleich verzweifelten Miene vor, die ich in den letzten paar Tagen so häufig zu sehen bekommen hatte. »Kannst du sie retten? Kannst du das?«
    Die Augen des Ältesten wurden größer, dann lächelte er sanft, besänftigend. Ein Lächeln für den Bruder, nicht für mich. Ich war für ihn weiter nichts als Pynvium auf Beinen. »Tatsa gehört zu unseren Besten. Sie wird tun, was sie kann, aber vergiss nicht, nicht jede Verwundung kann geheilt werden.«
    »Bitte, rette sie. Bitte!«
    Ich verdrängte seine Furcht, seine Hoffnung. Davon hatte ich selbst genug.
    Der Älteste beobachtete mich erwartungsvollen Blickes, als ich eine Hand auf den Kopf und eine auf das Herz legte, wie es ein Lehrling tun würde. Ich krümmte mich ein wenig, aber nicht nur zur Schau. Mehrere gebrochene Knochen, teilweise Trümmerbrüche. Etliche Blutungen, nun, da ich sie spüren konnte. Ernsthafte Verletzungen, sogar noch schlimmer als die des Mädchens, das ich gerade vor ein paar Stunden gerettet hatte.
    Die

Weitere Kostenlose Bücher