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Die Heilerin - Roman

Titel: Die Heilerin - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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sterbende Schwester musste ich nicht erst untersuchen. Von meinem Platz aus konnte ich die Einbuchtung in ihrem Kopf sehen, da, wo er zertrümmert worden war, und den gräulich-rosafarbenen Brei, der heraussickerte. Erstaunlich, dass sie noch lebte. Oder vielleicht einfach ein Segen.
    Beide, der Älteste und der Bruder beugten sich vor, als erwarteten sie von mir, dass ich etwas sagte.
    »Es ist schlimm, aber ich denke, ich kann sie heilen.«
    Der Bruder begann zu weinen. Es war ein abgehacktes Schluchzen, wie man weint, wenn Erleichterung und Hoffnung die Oberhand über die Furcht gewinnen. Der Älteste bemühte sich, sein Grinsen zu verbergen, aber ich konnte sehen, wie es von den Mundwinkeln aus an seinen schmalen Lippen zupfte. Die müssen ein Vermögen für die Behandlung zahlen. Er wandte sich dem Mann zu und legte ihm tröstend eine Hand auf die Schulter.
    Während er mir den Rücken zukehrte, schob ich eine Hand unter das Hemd der fast toten Schwester und legte meine Finger mit sanftem Druck auf ihre kühle Haut, sodass der Älteste es nicht sehen konnte. Die andere Hand ließ ich auf dem Herzen der lebenden Schwester. Ich musste ihren Schmerz schnell in die sterbende Schwester schiften, ehe der Älteste sich wieder zu mir herumdrehte. Ein tiefer Atemzug, ein kurzes Gebet, und ich zog.
    Glühender Schmerz und Höllenqualen, die mir die Sicht raubten, rasten in meinen Körper. Ich leitete sie durch einen schmalen Korridor, den ich mühsam zwischen den beiden Schwestern aufrechterhielt - ein menschlicher Schmerzenskanal. Wimmern brodelte in mir, und ich entließ es in Form von Schreien. Hier gab es keine Kinder, die ich ängstigen könnte, und der Älteste rechnete damit, dass ich schrie.
    Eine Schwester gerettet, eine tot. Für Tali brauchte ich ein besseres Resultat.
    Immer noch schreiend sank ich zu Boden und rollte mich zusammen. Zwang meine Finger, sich zu Klauen zu krümmen. Zuckte mit den Beinen. Lieferte eine Vorstellung dessen, was der Älteste erwartete.
    »O ihr Heiligen, habt Erbarmen!«, schrie der Bruder voller Entsetzen auf. Allein deswegen war ich froh, dass ich seine überlebende Schwester geheilt hatte.
    »Es ... es tut so weh ... helft ... mir«, wimmerte ich stöhnend und mich krümmend. Wie viel war zu viel?
    »Nein, nein, das ist normal bei einer Heilung von solch einem Umfang«, log der Älteste, die Hände auf den Schultern des Bruders. Hielt er ihn zurück ? Er kam mir vor wie die Art von Mann, die mir zu Hilfe eilen würde. »Ihr geht es bald wieder gut.«
    »Sie sieht nicht aus, als ginge es ihr bald wieder gut!«
    Zur Betonung schrie ich noch einmal auf.
    Die Tür wurde geöffnet, und zwei Jungs mit einer Trage eilten herein. Keiner der beiden hatte irgendwelche goldenen Litzen an der Schulter, aber beide hatten glänzendes schwarzes Haar. Wie der Älteste. Und der Wachmann vor dem Schlafraumtrakt. Wo waren die Geveger Heiler und Wachen?
    Die beiden hoben mich ohne eine Spur der Sorgfalt, die ein geschulter Heiler hätte walten lassen, vom Boden und ließen mich auf die Trage fallen. Ich stöhnte wieder, drängte sie im Stillen, sich zu beeilen.
    »Diese Herren bringen sie zu einem Ort, an dem sie ihren Schmerz in das Pynvium ableiten kann.«
    »Bist du sicher, dass sie wieder gesund wird?«
    »So gut wie neu. Oh, schau, deine Schwester erwacht...« Seine Worte verhallten, als die bezahlten Strolche mich in aller Eile die Treppe hinaufschleppten. Ich stöhnte, während sie ächzten und keuchten, aber in meinem Inneren breitete sich Hoffnung aus. Wo immer sie mich hinbrachten, es war oben, nahe dem höchsten Punkt des Gebäudes, womöglich sogar nahe der Kuppel.
    Bitte, Heilige Saea, mach, dass sie mich direkt zu Tali bringen.
    »Wie viel Geld das wohl gebracht hat?«, fragte der Junge zu meinen Füßen.
    »Tausend Oppa, hab ich gehört.«
    Für einen Moment vergaß ich zu stöhnen. Eintausend?
    »Wir sollten einen Bonus verlangen.«
    »Und diese Stelle verlieren? Ohne mich. Ich mag einfache Arbeit gegen gutes Geld.«
    »Ich wette, wir könnten viel mehr bekommen, wenn wir ihnen drohen, etwas zu erzählen.«
    Trockenes Gelächter. »Denkst du, irgendjemanden interessiert, was aus diesen Lösern wird? Nichts als Kriegswaisen. Nur ein Haufen nutzloser 'Vegs.«
    Mich interessierte es. Hätte ich doch nur etwas Schmerz behalten, dann hätte ich diese beiden Respekt davor lehren können, was so ein verwaister Löser zu tun imstande ist, und zwar in Windeseile. Vielleicht würde ich ihnen

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