Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Heilerin - Roman

Titel: Die Heilerin - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
Vom Netzwerk:
Talis Schmerz geben. Mal sehen, wie viel Interesse sie aufbrachten, wenn sie erst schreiend am Boden lagen und so leiden mussten, wie der Erhabene Tali und die anderen leiden ließ.
    Wir blieben stehen, und ein dritter Bursche ergriff das Wort. »Noch eine? Ich dachte, die hätten gar niemanden mehr übrig.«
    »Sie kratzen wohl inzwischen den Bodensatz aus dem Fass.« Der Schuft zu meinen Füßen lachte, und ich ballte meine Fäuste noch fester. Keine Zeit für Lektionen, Tali könnte auf der anderen Seite dieser Tür sein.
    »Bringt sie rein.«
    In dem Raum roch es nach Urin und feuchtem Gesichtspuder. Kein Hauch von Talis Seeveilchen-Ingwer-Duft. War sie hier? Sie musste hier sein. Meine Träger ließen mich auf eine quietschende Pritsche fallen und gingen davon. Ihre Schritte trampelten über den harten Boden.
    »Hey, Kione, wollen wir später Karten spielen? Ich habe ein bisschen Zeit.«
    »Äh, ja, sicher. Ich muss bis Sonnenuntergang hier Wache schieben.«
    »Dann sehen wir uns in ein paar Stunden.«
    Ein gedämpfter Knall und Stille. Nein, nicht Stille, nur ein Durcheinander von Geräuschen, leise genug, um für Stille durchzugehen. Stöhnen, sanfte Schluchzer, Schniefen.
    Ich schlug die Augen auf. Blondes Haar lag auf der Decke der Pritsche zu meiner Rechten. Tali ? Ich blinzelte. Nein, nicht Tali. Ich suchte auf den anderen Pritschen in der Nähe nach blondem Haar, aber auch dort war Tali nicht. Wo war sie ? Die Lampen, die in großen Abständen an den Wänden hingen, verbreiteten nur einen trüben Lichtschein, der es mir nicht leicht machte, blondes Haar auf den Pritschen zu erkennen. Fenster gab es auch nicht. Und nur eine Tür. Aber es gab Betten. Massenweise Betten.
    O ihr Heiligen, habt Erbarmen!
    Zwanzig, vielleicht dreißig Betten standen in ordentlichen Reihen wie in einem Kriegslazarett. Nur wenige waren nicht belegt. Kein Wunder, dass ich unten kaum einen Lehrling zu sehen bekommen hatte. Viele konnten nicht mehr übrig sein. Wie sollte ich Tali finden, wenn ich die Gesichter auf der anderen Seite des Raumes nicht sehen konnte ?
    Schritte hallten rechts von mir durch den Saal, leise, aber flink. Ich schloss die Augen. Jemand legte eine Decke über mich und zog sie mir unter das Kinn. Mir ging durch den Kopf, ich könnte mir die Decke schnappen und die Person angreifen, aber wer konnte schon wissen, wie viele noch hier waren?
    »Ganz ruhig«, sagte ein Mädchen mit leiser Stimme. »Ich weiß, es tut weh, aber es wird bald vorbei sein. Der Erhabene bekommt bald wieder neues Pynvium und kann dir all den Schmerz nehmen. Er hat es versprochen.« Sie hörte sich jung an, vielleicht eine der Litzenträgerinnen von niedrigem Rang. Sanfte Finger strichen über meine Stirn. »Du musst durchhalten, hörst du?«
    Als die Schritte des Mädchens verklangen, schlug ich die Augen wieder auf und suchte in den entfernteren Betten nach Tali. Fünf blonde Köpfe hatten das Gesicht abgewandt; jeder von ihnen könnte der ihre sein. Auf der entgegengesetzten Seite des Raums schien es noch mehr Blondschöpfe zu geben, aber bei dem schwachen Licht war ich mir nicht sicher. Von dieser blöden Pritsche aus konnte ich schlicht nichts sehen. Vielleicht musste Sanftfinger irgendwann pinkeln gehen oder so, dann könnte ich aufstehen und mich genauer umsehen.
    Ein scharfes Keuchen zerschmetterte die Stille, gefolgt von leisem Stöhnen. Schritte durchquerten den Raum.
    »Ruhig, ganz ruhig. Schlaf weiter. Es ist leichter, wenn du schläfst.«
    Heißer Zorn flammte in mir auf. Wie konnte der Erhabene ihnen das antun? Das war schlimmer als alles, was der Herzog im Krieg getan hatte. Die Gilde sollte Menschen heilen, nicht ihnen Qualen bereiten. Das hier waren praktisch noch Kinder! Sie vertrauten den Ältesten, vertrauten darauf, dass der Erhabene sich um sie kümmern würde, wenn es sonst niemand tat, auch wenn er nur ein weiterer vom Herzog ernannter Baseeri war. Sie hatten das nicht verdient. Tali hatte es bestimmt nicht verdient.
    Wieder wurde die Tür geöffnet. Mein Magen und meine Fäuste verkrampften sich. Noch ein armer Lehrling, der mit Drohungen gefügig gemacht worden war ?
    »He, Lanelle.« Ich erkannte die Stimme des Türwächters. »Machst du nicht irgendwann mal Pause?«
    Sie kicherte. Bedeutete das alles hier denn nichts für sie ? Machte es sie nicht ausreichend wütend, mit Bettpfannen nach den Ältesten zu werfen ?
    »Nur Essenspausen.«
    »Kannst du jetzt eine machen? Die Sonne kommt heraus, und über den Docks

Weitere Kostenlose Bücher