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Die Heilerin - Roman

Titel: Die Heilerin - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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steht ein doppelter Regenbogen. Komm, sieh ihn dir an.«
    Mir stockte der Atem. Ja! Geh, lauf und schäker mit diesem herzlosen Burschen.
    »Ich kann nicht. Ich bin für sie verantwortlich.«
    »Komm, nur für ein paar Minuten? Könnte dir guttun, mal was Schönes zu sehen. Mir würde es jedenfalls helfen.«
    »Ich weiß nicht.«
    »Niemand wird etwas merken. Ich verspreche es.«
    »Na schön, aber nur ganz kurz. Ich will sie nicht zu lange allein lassen.«
    Die Tür fiel mit einem Rums ins Schloss. Ich sprang auf und rannte zum nächsten Blondschopf. Nicht Tali. Ich sauste zum nächsten ... wieder nicht sie. Drei Pritschen weiter ... nicht Tali, sondern ein Junge mit langem Haar. Zwei Reihen weiter ein Mädchen, das ich kannte, auch wenn ich nicht wusste, wie es hieß. Wo war sie nur?
    Ich rannte zur entgegengesetzten Wand, wo die Schatten am dunkelsten waren. Die vertraute Nase eines Mädchens erregte meine Aufmerksamkeit, aber als ich bei ihm war, sah ich, dass sein Haar rot war, nicht blond! Ich sah mich im Raum um. Nicht ein einziger Haarschopf war so schwarz wie das Haar der Baseeris. Kein Wunder, dass ich keine Geveger Heiler gesehen hatte. Selbst die, die unten auf Heilung warteten, waren schwarzhaarig. Natürlich. Der Erhabene würde zweifellos Geveger opfern, um Baseeris zu retten. Er war bis in die Tiefen seines verfaulten Herzens ein Gefolgsmann des Herzogs.
    Zorn erhitzte meine Wangen. Tali musste hier sein. Ich würde jedes Bett zweimal kontrollieren, sollte es nötig sein.
    Noch ein blonder Schopf in der Ecke am Ende der Reihe. Ich ging neben der Pritsche in die Knie, fand ein Gesicht, das ich so gut kannte wie mein eigenes.
    »Tali!« Ich legte meine Hand an ihre Wange. Ihre Haut war klamm und fahl wie bei all den anderen. Sie zitterte, ihre Hände waren verkrampft, die Arme eng an die Brust gepresst.
    »Nya?« Flatternd öffneten sich ihre Augen, und der Schmerz traf mich wie Strahlen dunklen Lichts. Beinahe so dunkel wie die Ringe unter ihren Augen und die eingefallenen Wangen.
    »Ich bin da. Ich hol dich hier raus.« Ich legte eine Hand auf ihr Herz.
    »Nein!«, schrie sie. Ich hielt inne, als sie anfing zu husten und bei jeder Erschütterung vor Schmerzen zusammenzuckte.
    »Tali, ich nehme die Hälfte, und wir schleichen uns hier raus.«
    »Das darfst du nicht ... zu viel.«
    »Nein, ich schaff das schon. Zusammen können wir es schaffen.«
    »Kümmer dich ... um dich selbst.«
    Ich tastete mich zu dem Schmerz, zu den zerquetschten Organen und den gebrochenen Knochen vor, die sie geheilt hatte, den Blutungen, den Prellungen ... und dem Schrecken.
    »Es ist zu viel.« Ich wollte sie noch einmal untersuchen, aber ich wusste es schon jetzt. Ich hatte es gefühlt, so wie Tali es gefühlt hatte, wie Tali es wusste. Ich konnte ihr nicht die Hälfte abnehmen. Ein Viertel vielleicht, aber das würde nicht einmal reichen, dass sie sich aufsetzen konnte, geschweige denn fortgehen. Und selbst wenn ich versuchte, nur ein bisschen in mich aufzunehmen, wäre ich nicht imstande, den Schmerz zu hindern, unablässig in mich hineinzuströmen, so wie es auch bei dem kleinen Mädchen geschehen war.
    Ich wischte ihr den Schweiß von der Stirn, kämpfte gegen den Wunsch an, sie fest in meine Arme zu schließen. Ihr geschundener Körper hätte den Druck nicht ertragen.
    »Oh, Tali.«
    »Geh, Nya.«
    »Nicht ohne dich.«
    »Du ... kannst mir ... nicht helfen.«
    »Doch. Alles, was ich tun muss, ist ... ich muss nur...« Was? Es musste eine Möglichkeit geben. »Pynvium! Ich brauche Pynvium.«
    »Nichts ... übrig.«
    »Nicht hier, aber es muss woanders noch etwas geben.« Techniker Zertaniks Worte hallten in meinen Ohren nach. Oh, ich bin überzeugt, du wirst, meine Liebe. Ich habe da nicht den kleinsten Zweifel. O ihr Heiligen, er wusste, was hier vorging. Dieser dreckige Aasgeier wusste es! Eigentlich sind es nur noch ein paar kleine Stückchen ... Der Kerl hatte mir die Pynviumkarotte direkt vor die Nase gehalten.
    War das der Grund, warum Jeatar gestern Morgen bei der Gilde gewesen war? Um Informationen zu sammeln? Einen Handel abzuschließen? Er war derjenige, der Zertanik von mir erzählt hatte. Er benahm sich, als wollte er mir helfen, aber ich hätte gewettet, dass das nicht das war, was er Zertanik zuflüsterte. Das klang vermutlich eher wie: »Ihre Schwester ist eine von ihnen, Herr. Das können wir ausnutzen, um sie gefügig zu machen. Dann wird sie tun, was wir wollen, und uns einen Haufen Geld

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