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Die Heilerin - Roman

Titel: Die Heilerin - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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einbringen.«
    Und er hatte recht behalten. Ich war hungrig genug gewesen, in diese Karotte zu beißen.
    »Tali, ich glaube, ich weiß, wo ich etwas Pynvium herkriege.« Wenn die Leute wirklich tausend Oppa für eine Heilung bezahlten, dann zahlten sie fürs Schiften vermutlich genauso viel. Vielleicht sogar mehr. Ich könnte meine Dienste gegen den Rest von Zertaniks Pynvium eintauschen.
    Sie lächelte schwach, und Tränen rannen aus ihren Augenwinkeln. »Nya. Geh.«
    »Ich lasse dich nicht einfach hier. Ich werde dich rausholen.« Auch wenn mir nicht gefiel, was ich dafür zu tun hatte.
    Die Tür wurde geöffnet. Die Silhouetten zweier Personen zeichneten sich im Lichtschein ab.
    »Was machst du hier?«, fragte eine Mädchenstimme.
    Lanelle und ihr Freund. Mir drängte sich die Frage auf, welche Farbe ihr Haar haben mochte.
    Ich zog Talis Decke bis an ihr Kinn und streichelte noch einmal ihre Wange. »Ganz ruhig. Schlaf weiter«, sagte ich laut genug, dass Lanelle und der Junge mich hören mussten. »Es ist leichter, wenn du schläfst.« Und an Tali gewandt flüsterte ich: »Halte nur noch ein bisschen länger durch.«
    »Du dürftest gar nicht hier sein.« Lanelle stolzierte auf mich zu, sah aber eher verängstigt als entschlossen aus. Sie spielte nervös mit den Enden ihrer Zöpfe. Braunes Haar, aber dunkel. Kurze Nase, gedrungen, keine Hakennase. Nichts kennzeichnete sie als Gevegerin oder Baseeri.
    »Ich bin deine Ablösung für die Essenspause«, sagte ich, als hätte sie das wissen müssen.
    Sie gaffte mich an, öffnete mühsam den Mund, klappte ihn wieder zu und sprach dann doch. »Aber es ist frühestens in einer Stunde so weit.«
    Ich zuckte mit den Schultern. »Ich bin etwas früher gekommen. Wollte nicht im Krankensaal herumlungern, damit sie mich nicht für irgendeine hochrangige Heilbehandlung auswählen können, weißt du?«
    Sogar in dem schwachen Lichtschein konnte ich sehen, wie sie um zwei Nuancen blasser wurde. »Ich weiß. Gut. Ich bin bald wieder da.«
    »Lass dir Zeit. Die gehen sowieso nirgendwohin.«
    Sie sah sich nach dem Wachjungen um, der an der Tür wartete. Durch das Licht hinter ihm war er nur als Silhouette erkennbar, während seine Züge und sein Haar im Dunkeln blieben. »Danke«, sagte sie. »Ich schulde dir was.«
    Ja, allerdings.
    Und ich wusste auch schon, wie ich diese Schuld einfordern würde. Die einzige Frage war, wann.
 
    Als Lanelle vom Essen zurückkehrte, sagte ich ihr, ich käme zum Frühstück wieder, um sie abzulösen, gleich nachdem die Glocke zur Visite erklungen wäre. Sie dankte mir erneut und blickte nicht einmal auf, als ich ging. Der Wachjunge blinzelte mir zu. Eindeutig ein Geveger. Mit seinem welligen blonden Haar und den großen braunen Augen war er sogar ganz niedlich, aber innerlich war er so hässlich wie eine angefressene Ratte. Verräter.
    »Gute Nacht.«
    Obwohl das alles zunichtegemacht hätte, wünschte ich, ich könnte mir einen Stuhl packen oder auch eine Bettpfanne und sie ihm kräftig über den Schädel ziehen. Aber vielleicht war ihm seine Freundin Lanelle schon Strafe genug. Tali bei diesen beiden zu lassen bereitete mir Magenschmerzen, aber ich brauchte Pynvium - und Hilfe, um sie hier rauszuschaffen. Und ich hatte nur bis zum frühen Morgen Zeit, beides aufzutreiben.
    Mich hinauszuschleichen erwies sich als erheblich einfacher, als hereinzuschleichen. Nun, da alle beim Abendessen saßen, hielten sich nur noch ein paar Wachleute und Putzkräfte in den Korridoren auf. Die meisten Lehrlinge waren oben sicher weggesperrt, also waren die Schlaftrakte frei von Mentoren. Ich holte mir Aylins Kleid, ohne dass irgendjemand mich bemerkte, und klemmte es mir unter den Arm, sodass es aussah wie ein Umhang für den Fall, dass es es in der Nacht kalt werden sollte. Der Wachmann im Korridor bedachte mich mit einem wissenden Lächeln, als ich ging, und ermahnte mich, nicht zu lange fortzubleiben.
    Zuerst ging ich zu Aylin. Die Sonne war bereits hinter dem Horizont versunken, ehe ich dort ankam. Die meisten Leute in Geveg waren mit ihrer Arbeit für heute fertig, aber mein Tag war noch nicht vorbei. Mir war, als sei es schon Wochen her, seit ich bei Danello aufgewacht war, obwohl das erst heute Morgen gewesen war. Mein Bauch sagte mir, dass ich heute Nacht nicht viel Schlaf bekommen würde.
    »Es war furchtbar!« Ich brach in ihren Armen zusammen und drückte sie so fest, wie ich Tali hätte drücken wollen. »Es sind so viele von ihnen, und sie leiden so

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