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Die Heilerin - Roman

Titel: Die Heilerin - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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Tannifs war eine halbe Stunde entfernt. Nicht genug Zeit, um nach ihnen zu sehen, es sei denn, ich suchte sie auf dem Rückweg auf.
    Ich ließ mich auf ein Knie fallen und legte eine Hand auf jede ihrer Schultern. »Halima, du rührst dich nicht von der Stelle, bis ich wieder da bin.«
    »Sie brauchen dich sofort.«
    »Ich weiß, aber meine Schwester auch, und ich kann nicht allen gleichzeitig helfen. Ich muss erst mit jemandem reden. Danach gehen wir direkt zu deinen Brüdern.«
    Ich hätte den Schmerz ihres Vaters nie schiften sollen. War das wirklich besser, als auf die Straße geworfen zu werden? Was, wenn sie ihre Brüder verlor? Wer würde sich um sie kümmern, während ihr Paps arbeitete?
    Ich nahm sie in die Arme. »Ich bin gleich wieder da. Versprochen.«
    »Na gut.« Sie setzte sich auf die erste Stufe vor der Ladentür und schlang die Arme um die schmalen Knie. Wir hatten einmal ein Hündchen, das auf den Vorderstufen des Hauses stets darauf gewartet hatte, dass wir aus der Schule zurückkamen. Der kleine Hund hatte jeden Morgen, wenn wir gingen, den gleichen Ausdruck in den Augen gehabt wie Halima in diesem Moment.
    Ich ging in Zertaniks Laden, der trotz der späten Stunde noch geöffnet hatte. Hinter dem Tresen hielt eine nicht mehr ganz junge blonde Frau Wache. Noch eine Verräterin. Sie lächelte ein Verkäuferlächeln, so falsch wie der juwelenbesetzte Tand, den die Händler im Sommer verkauften.
    »Kann ich dir helfen?«
    »Ich muss mit Zertanik sprechen.«
    »Ich bedauere, er ist unabkömmlich. Kann ich etwas für dich tun?«
    »Sag ihm, Merlaina ist hier.«
    Ihr Lächeln erstarb, und sie fuhr hoch, als stünde ihr Hintern in Flammen. »Warte hier.«
    Und das tat ich mit Übelkeit im Magen und in noch üblerer Stimmung. Talis Gesicht schwebte vor meinem geistigen Auge, aber auch Danellos süßes Lächeln drängte sich in mein Gedächtnis.
    Die Frau kehrte zurück. »Hier entlang, bitte.«
    Ich ging in denselben opulenten Raum, der dieses Mal von blauen und gelben Glaslampen erhellt wurde, die in den Ecken flackerten. Zertanik saß auf seinem Stuhl und sah mir mit einem süffisanten Grinsen entgegen.
    »Wie schön, dich wiederzusehen, meine Liebe. Die Zöpfe stehen dir gut.«
    »Ich brauche Pynvium.« Außerdem hätte ich es gut brauchen können, die vier hübschen Lampen samt und sonders auf seinem Schädel zu zertrümmern. Aber das würde warten müssen.
    Er grinste noch breiter. »Pynvium ist heute kostbar, meine Liebe. Wie viel bist du bereit, dafür zu zahlen ?«
    »Ich habe neun Oppa.« Plus drei Deni, die Danello mir bezahlt hatte, aber die würden mir hier nur Gelächter eintragen.
    Er lachte, wie nicht anders zu erwarten, und ich kam mir vor wie eine Eidechse unter seiner Pranke. »Ich könnte neunhundert für das bekommen, was ich noch habe. Vermutlich mehr.«
    Nicht, dass er es verkaufen würde. Als Karotte für mich war es viel wertvoller. »Wen muss ich dafür heilen?«
    »Ist das wichtig?«
    So gesehen, nein. Ich war keine echte Heilerin, aber ich war gut genug für die Schmerzhändler. Gut genug, Tali zu retten. Das war das Einzige, was wirklich zählte. »Wie viel Pynvium hast du?«
    Seine Brauen schossen Richtung Haaransatz. »Aber hallo, wer ist denn hier jetzt gierig?«
    »Wie viel kann es aufnehmen?«
    »Wie viel können sie aufnehmen, muss es heißen, meine Liebe. Das Pynvium ist nicht rein. Es ist nicht einmal in Form gegossen. Zum Verkauf ist es unnütz. Nichts als eine Kiste mit Resten, die in der Schmiede übrig geblieben sind.«
    »Wie viel?«
    »Jedes Bruchstück reicht für eine kleine Verletzung, schätze ich. Für einen Knochenbruch brauchst du zwei, für eine Organquetschung vier.«
    Vier Knochenbrüche, zwei Organquetschungen und eine Blutung für Tali. Drei Rippen für die Zwillinge. Ein Bein und ein Arm für Danello. Diverse Schnittwunden und Prellungen für alle. Dreißig, mindestens. Fünfunddreißig, um sicher zu sein. Tali mochte noch andere Verletzungen haben, die ich nicht hatte sehen können, so wie die Blutungen, auf die der Meisterheiler mich erst hatte hinweisen müssen.
    Und der Fischer?
    Ich verdrängte den Gedanken. »Ich will den Pynvium-Gegenwert für das, was ich heile. Alles in allem will ich drei Dutzend Pynviumstücke.«
    Er stieß ein bellendes Gelächter hervor. »Drei Dutzend? Meine Liebe, ich weiß nicht, ob in der Abfallkiste überhaupt so viel ist.«
    »Sieh nach. Ich werde warten.« Aber nicht allzu lange. Ich musste zu Danello, solange ich

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