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Die Heilerin - Roman

Titel: Die Heilerin - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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noch konnte.
    Zertanik griff nach einer Glocke, die neben ihm auf dem Tisch ruhte, und klingelte einmal. Eine Tür wurde aufgerissen, und ein kleiner Mann eilte herbei.
    »Herr?«
    »Zähl bitte die Pynviumsplitter und sag mir, wie viele es sind.«
    »Ja, Herr.«
    Zertanik starrte mich an, und seine Finger trommelten gemächlich auf der gepolsterten Armlehne. »Und wozu brauchst du all das Pynvium? Du willst mehr, als ich erwartet hatte.«
    »Mehr, als meine Schwester braucht, meinst du?«
    Er kicherte. »So ein kluges Kind! Du solltest für mich arbeiten. Kluge Leute sind mir immer nützlich.«
    »Ich glaube, ich werde schon genug ausgenutzt.«
    »Entspann dich. So ist das Geschäft, meine Liebe, und geschäftliche Verhandlungen sind stets schwierig.«
    »Mir gefällt dein Geschäft nicht.«
    »Zu schade. Dabei ist es dir wie auf den Leib geschneidert.«
    Der Diener kehrte zurück. »Ich habe dreiunddreißig Stück gezählt, Herr.«
    Immerhin.
    »Wird das reichen?« Zertanik winkte dem Diener zu, er solle sich zurückziehen.
    »Ich brauche alles noch heute Nacht. Ruf deine Aasgeier zusammen, und ich bin in ...« Ich zählte die vor mir liegenden Aufgaben zusammen, Danello, Tannifs, hierher zurückkommen, und rechnete noch genug Zeit hinzu, einen Plan für morgen auszuarbeiten - O ihr Heiligen, Mitternacht wäre bereits vorbei, bis ich wieder hier wäre. Ob die Leute bereit waren, mitten in der Nacht herzukommen ? »... in drei Stunden wieder hier. Dann erledige ich die Heilungen.«
    »Abgemacht.« Er stand auf und bot mir die Hand dar. Ich schüttelte sie und wischte mir anschließend meine Hand an der Hose ab, was ihn zum Grinsen brachte, ehe er zur Tür deutete. »Und denk über mein Angebot nach, meine Liebe. Ich könnte dich reich machen.«
    Vermutlich konnte er das. Immerhin hatte er mich schon zu einem Monster gemacht.
 
    Halima und ich hasteten durch die silbrige Finsternis zu ihren Brüdern. Mondschein beleuchtete unseren Weg. Und die Straßenlaternen an den Ecken, die die Soldaten der Abendschicht in ihr gelbes Licht tauchten. Um mich von den größeren Dingen abzulenken, konzentrierte ich mich auf die kleineren: Halimas abgenutzte Schuhe, das Klingeln der Ladentüren, die unter den letzten waren, die von ihren Eignern geschlossen wurden, schlammige Blumenbeete. In der Kuppel der Gilde leuchteten hellere, gelbe Lampen, ein Leuchtturm für die Verirrten und Leidenden. Ein Gefängnis für die Vergessenen.
    Die kleinen Dinge halfen nicht.
    »Halima, seit wann geht es ihnen so schlecht?«
    »Seit heute Nachmittag. Jovan und Bahari ist in der Schule schlecht geworden, und man hat sie nach Hause geschickt.«
    Weniger als ein Tag. Vielleicht lag das nur daran, dass ihre Körper sich auf den Schmerz einstellten. Vielleicht war das alles absolut normal. Vielleicht ginge es ihnen morgen früh schon besser. Zu viele Vielleichts. Ich hörte mich schon an wie Aylin.
    Wir eilten die Stufen hinauf und zur Tür hinein. Die Zwillinge lagen ausgestreckt auf ihren Betten. Ihre Gesichter waren blass, die Augen wässrig. Jovan begrüßte mich mit einem schwachen Lächeln, als ich nähertrat. Bahari wollte mich nicht einmal ansehen.
    »Wie geht es euch beiden?« Ich legte eine Hand auf Jovans Stirn. Kühl und feucht.
    »Nicht gut«, murmelte er.
    Für mich fühlte er sich auch nicht gut an. Der Schmerz der gebrochenen Rippe pulsierte in ihm, aber ich spürte auch noch andere Dinge, die nicht hätten dort sein dürfen. Sein Blut fühlte sich falsch an, aber nicht so, als hätte er eine Blutung oder Organprellung erlitten. Es fühlte sich ... beinahe krank an. Sein Herz schlug zu schnell, das Atmen fiel ihm zu schwer.
    Bahari erging es nicht besser. In diesem Punkt waren sie beide gleich.
    Wären sie ein paar Jahre älter, dann wären sie besser in der Lage gewesen, mit dem Schmerz zurechtzukommen. Aber ihre Fähigkeit, Schmerz zu lösen, war noch nicht weit genug entwickelt, um ihnen jetzt von Nutzen zu sein.
    Ich drehte mich zu Hamila um. »Wo ist Danello.«
    Sie brachte mich zu ihm, und ich musste mir auf die Lippe beißen, um nicht vor Schreck aufzukeuchen. Danello lag still wie der Tod auf seinem Bett. Seine Haut war schon nicht mehr blass. Seine Finger zuckten im Rhythmus seiner Atmung. Ich hätte geschworen, dass er Gewicht verloren hatte. Mein Herz tat einen Satz, und ich hastete zu ihm.
    »Danello?« Ich strich ihm das feuchte Haar aus der Stirn und tastete mich in seinen Leib. Die gleiche Zähigkeit im Blut, und seine

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