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Die Heilerin - Roman

Titel: Die Heilerin - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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Leber kam mir sonderbar vor. Ebenso wie sein Bauch, der von dunklen Punkten gesprenkelt war, die beinahe so aussahen wie Blutungen.
    Halima zupfte an meinem Ärmel. »Wird er sterben?«
    Ich wollte nicht ja sagen und konnte nicht nein sagen. »Ich hoffe nicht.«
    »Nimm es wieder weg.«
    »Das kann ich nicht. Noch nicht. Morgen früh.« So die Heiligen wollten. Ich hatte ihm das angetan. Ihnen allen. Bitte, Heilige Saea, gib mir die Zeit, das in Ordnung zu bringen!
    Sie schniefte. »Versprichst du es?«
    »Ich verspreche es.« Vorausgesetzt, ich wurde nicht gefangen genommen oder getötet oder in einen hoch gelegenen Raum mit zu vielen Betten und zu wenig Gewissen eingesperrt.
    Sanft drückte ich Danellos Hand, ehe ich die Treppe hinunter und wieder hinaus auf die Straße rannte. Dieses Mal konnten mich nicht einmal die großen Dinge von meinen Schuldgefühlen ablenken - Familien, die in Hauseingängen kauerten, Leute mit Bahren auf dem Weg zum Friedhof, hungrige Augen, die mich verfolgten, weil ihnen meine Gildezöpfe aufgefallen waren - nichts von alldem konnte die entsetzliche Wahrheit verdrängen.
    Oh nein. Übertragener Schmerz war tödlich für Nicht-Löser, wenn er nicht umgehend wieder geheilt wurde. Noch schlimmer - er tötete sie rasch. Und ich hatte gerade zugestimmt, dergleichen für dreiunddreißig Pynviumsplitter noch einmal zu tun.
    Ich stolperte und fing den Sturz an einem Zaun ab. Oder war ich längst gefallen? Wie viele würde Zertanik mir heute Nacht bringen. Wie viele Leben war ich bereit für Tali und Danello zu opfern ? Für Jovan und Bahari?
    Ich blickte mich zum Tempel um, den ich in der Dunkelheit doch nicht sehen konnte. Heilige Saea, ich habe nicht das Recht zu wählen. Bitte sag mir, was ich tun soll!
    Sie antwortete nicht. Ich hatte nicht mit einer Antwort gerechnet, aber es hätte mir durchaus geholfen.
    Mama hatte mir gesagt, ich dürfe nie wieder schiften. Ich dachte, sie hätte nur nicht gewollt, dass ich den Greifern in die Hände fiel, aber vielleicht war da mehr dran. Hatte sie gewusst, dass so etwas tödlich sein konnte ? Hatten die Heiler es gewusst ?
    Ich stieß mich von dem Zaun ab, ehe die Soldaten misstrauisch werden und mich befragen konnten, und ging weiter zu Tannifs, während ich in meinem Gedächtnis nach Großmamas Rat suchte. Einer ihrer Sprüche kam mir wieder und wieder in den Sinn: Wer die Wahl hat, hat die Qual.
    Eine aromatische Wolke von geröstetem Kaffee hüllte mich ein, und eine zweite Weisheit hallte in meinen Ohren wider. Fürchte nicht, was du nicht ändern kannst. Aber dieses Mal konnte ich etwas ändern. Ich konnte zu Zertanik gehen. Konnte ihm sagen, dass geschifteter Schmerz tödlich für den Empfänger war. Ich wusste nicht, warum er das Blut verdickte oder die Organe schädigte, aber das war der Fall, und das mussten sie mir einfach glauben. Keiner von denen, die den Schmerz ihrer Lieben auf sich genommen hatten, hatte eine Chance zu überleben, solange es kein neues Pynvium gab.
    Aber wenn ich ihm all das sagte, würden fünf Menschen sterben müssen. Davon einer, den ich liebte, und was die anderen betraf, so verkrampfte sich mein Magen bei dem Gedanken, sie zu verlieren, obwohl ich sie kaum gekannt hatte.
    Ich schob den Gedanken beiseite, als ich das Tannifs betrat. So kurz vor der Sperrstunde waren nur noch wenige Gäste da. Aylin saß wieder im Hintergrund, gegenüber von einem blonden Jungen mit breiten Schultern. Sie blickte auf, als ich zu ihr eilte, doch er drehte sich nicht um.
    »Vielen Dank, dass du dich mit mir triffst...«, sprudelte ich hervor, nur um meine Dankbarkeit sogleich zu verwünschen. »Du bist Lanelles Freund!«
    Er starrte mich an. »Kennen wir uns?«
    Ich zeigte mit dem Finger auf ihn und sah Aylin an. »Das ist der Junge, der dir erzählt hat, er glaubt, dass die Lehrlinge oben versorgt würden?«
    »Jetzt warte mal...«, wandte er ein.
    »Ja, das ist Kione. Nya, warum wirst du so laut?« Aylin sah sich um und setzte ein nervöses Lächeln auf. »Die Leute gucken schon.«
    Ich ließ mich neben Aylin auf die Bank fallen und senkte meine Stimme zu einem bedrohlichen Grollen. Zumindest hoffte ich, dass es so klang. »Dieser Freund hat dich belogen. Er hat vor dem Zimmer Wache gehalten, in dem Tali festgehalten wird.«
    »Kione? Ist das wahr?«
    »Nein!«
    »Ich habe dich gesehen, als ich Lanelle beim Abendessen abgelöst habe.«
    »Oh.« Seine hübschen braunen Augen suchten nach einem Ausweg, hektischer als die eines Hasen

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