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Die Heilerin - Roman

Titel: Die Heilerin - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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ich mit angespanntem Ton. »Es ist nicht wahr. Es gibt keine Krankheit.«
    Ein Schnaufen wie ein Schluchzer entfleuchte Aylins Lippen, und sie schlug beide Hände vor den Mund. »Kione, du musst uns helfen.«
    »Ich kann nicht!«
    »Aber wir müssen ihn aufhalten.«
    »Ihr könnt es nicht mit der Gilde aufnehmen. Das ist verrückt.«
    »Und du willst gar nichts tun?«, fragte ich milde. Inzwischen ging es um mehr als nur darum, Tali zu retten. Ich musste auch den anderen helfen, den sechzig Heilern, die keine Schwester hatten, welche bereit war, alles für sie zu tun. Allein konnte ich den Erhabenen nicht anklagen. Der Generalgouverneur würde keinem obdachlosen, nutzlosen Mädchen zuhören, das ihm weismachen wollte, was der Erhabene tat. Aber jemandem wie Tali, einem glaubwürdigen Mitglied der Gilde, das selbst zum Opfer geworden war, würde er vielleicht Gehör schenken. Das entkommen war. Wenn der Generalgouverneur Tali anhörte, konnten wir den Erhabenen vielleicht aufhalten und vom Herzog genug Pynvium fordern, um die Übrigen zu retten.
    Wenn, wenn, wenn. Genauso schlimm wie vielleicht.
    Aber es gab auch Hoffnung. Das Amt des obersten Regenten von Geveg mochte der Lohn für den General gewesen sein, weil er unsere Rebellion beendet hatte, aber sogar ich musste zugeben, dass der Generalgouverneur uns seither anständig behandelt hatte, auch wenn er ein Baseeri war. Außerdem würde es einen Aufstand geben, wenn bekannt wurde, dass das Pynvium alle und sämtliche Geveger Heiler todkrank waren, und das würde ihm jede Menge Ärger mit dem Herzog einbringen. Der ließ womöglich sogar seine Soldaten hierher in Marsch setzen, wenn er mit Verlatta fertig war. Den Leuten in Sorille hatte er weit Schlimmeres angetan, als sie keine Ruhe geben wollten.
    Kioni saß mit zusammengebissenen Zähnen da, und sein Blick huschte unstet umher.
    »Und du willst weiterhin untätig bleiben?«, fragte ich ihn noch einmal.
    »Ich will kein Risiko ...«
    »Darum bitte ich gar nicht. Wenn ich kurz nach Sonnenaufgang auftauche, würdest du dann einfach wegschauen, ganz egal, was ich bei mir habe?« Wenn ich Tali nicht rausholen konnte, dann musste ich eben das Pynvium reinbringen und das Risiko eingehen, dass ein Ältester es aufspürte. Dreiunddreißig Pynviumsplitter waren keine Kleinigkeit.
    Aylin schüttelte den Kopf. »Du kannst nicht noch einmal allein da reingehen.«
    »Kione? Wirst du das tun?«
    Er wischte sich den Schweiß von der Oberlippe und nickte. »Also gut. Ich werde sogar ein bisschen früher hingehen und Lanelle so lange beim Frühstück aufhalten, wie ich kann, aber das ist alles. Ich werde mir für niemanden den Zorn des Erhabenen zuziehen.«
    » Danke!«
    Er schnaubte und rieb sich die Handflächen an der Hose ab. »Wenn du erwischt wirst, kennst du mich nicht.«
    »Einverstanden.«
    Ohne ein weiteres Wort, sogar ohne einen Blick zurück schlich er von dannen. Wie Großmama zu sagen pflegte, manchmal muss man eine Kuh töten, um die Herde zu retten, aber hatte ich das Recht, so etwas zu tun?
    Ich bestellte Kaffee in der Hoffnung, dass er mich noch ein paar weitere Stunden wachhielte, und genug zu essen für uns beide. Ich hatte immer noch etwas Zeit, ehe ich zu Zertanik aufbrechen und eine Entscheidung für die treffen musste, die es selbst nicht tun konnten.
    Ich betete, dass es die richtige sein würde.

Elftes Kapitel
    N icht nur klug ist das Kind, sondern auch noch pünktlich«, sagte Zertanik, als der Uhrenturm Mitternacht schlug. Er hielt mir die Tür auf, und ich ging an ihm vorbei und ließ mein Gewissen auf der Veranda zurück. Dort rollte es sich gleich neben meinen Prinzipien zusammen.
    Der vordere Raum war leer bis auf die mir bereits bekannte blonde Frau, die Oppa zählte und säuberlich auf dem Tresen aufstapelte. Es waren verdammt viele Stapel.
    »Hier entlang, meine Liebe.« Wir traten durch dieselbe Tür wie zuvor, in denselben schwach erleuchteten Raum und durch die Dienertür. Über denselben Gang, durch den ich schon einmal gekommen war. Und schließlich derselbe Raum, in dem ich einen Fischer geopfert hatte, um die Tochter eines reichen Mannes zu retten.
    Das waren die einzigen Dinge, die noch dieselben waren wie beim letzten Mal.
    »Du weißt, dass es sie umbringt«, sagte ich. »Die, die den Schmerz aufnehmen.«
    »Reine Vermutung.«
    »Menschen, denen ich den Schmerz übertragen habe, liegen im Sterben. Der Fischer könnte bereits tot sein. Die Leute sollten das wissen, ehe sie dieser

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