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Die Heilerin - Roman

Titel: Die Heilerin - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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Und zwei davon gehören Kindern.«
    »Wie hast du ... ?«
    »Später. Die Sonne ist fast schon aufgegangen. Sehen meine Zöpfe ordentlich aus ?«
    Sie sah nach und nickte. Nun sah sie der Aylin, die ich kannte, schon ähnlicher. »Ein bisschen zerzaust, aber in Ordnung.«
    »Tali wird etwas zu essen brauchen, wenn wir herkommen.« Ich reichte ihr drei Oppa, ein Drittel meines Vermögens. »Kauf genug, dass es für ein paar Tage reicht.«
    »Das ist zu viel für Lebensmittel für ein paar Tage.«
    »Du musst ja auch hierbleiben und auf Tali warten. Du wirst so lange nicht arbeiten können und kein Geld verdienen.«
    Sie nagte an ihrer Unterlippe, als wäre ihr dieser Gedanke noch gar nicht gekommen. »Danke.«
    »Ich habe dir zu danken.« Ich umarmte sie. Sie roch nach Kaffee. »Denk daran, was ich dir über Danello und die Kinder gesagt habe. Vergiss sie nicht.« Und lauf nicht davon und verkauf das Pynvium. Das hatte ich nicht denken wollen, aber der Gedanke war trotzdem plötzlich aufgetaucht. Aylin war kein böser Mensch, auch kein verzweifelter. Sie würde tun, worum ich sie gebeten hatte, trotz ihres Misstrauens gegenüber den Schmerzhändlern, selbst wenn sie den Gegenwert für die Miete und Lebensmittel für ein Jahr und womöglich noch ein neues Kleid in Händen hielt.
    Hoffte ich.
    »Ganz bestimmt nicht.«
    »Ich bin in ein paar Stunden zurück. Dieses Mal hole ich Tali da raus, und wenn ich sie huckepack an dem Erhabenen vorbeitragen muss.«
 
    Der Sonnenaufgang tauchte Geveg in fahlgoldenes Licht. Gemeinsam mit Tavernenköchen und Küchenmeisterinnen auf dem Weg zum Markt eilte ich die Straße hinunter, bis sie sich gabelte. Dann ging ich über die Brücke und fand mich, von ein paar der stets präsenten Soldaten abgesehen, plötzlich ganz allein wieder. Der Gildeplatz war ungewöhnlich leer an Verletzten und Hoffnungsvollen. Vielleicht waren sie gestern alle abgewiesen worden und hatten den Bescheid erhalten, dass es die nächste Zeit keine Heilungen geben würde. Außer für diejenigen, die für ein herzogliches Honorar zur Hintertür hereingelassen wurden.
    Davon wusste natürlich niemand; anderenfalls wäre hier ein ganzer Menschenhaufe aufmarschiert und würde schreiend und drohend Stöcke oder Angelruten schwenken oder was sie an Waffen auch finden konnten. Ich hatte solch einen Zorn schon früher erlebt. Und ich hatte gesehen, wie wirkungslos er war.
    Ich zog den weißen Schal von meinem Kopf und verlagerte die »Wäsche« an meine Hüfte. Nur ein einfacher Lehrling, der mit sauberer Kleidung zurückkommt. Ich war wieder in Talis Uniform geschlüpft; daher nickte mir die Torwache nur zu, ohne mich einer genaueren Betrachtung zu würdigen, und gähnte. Ich nickte ebenfalls und ging durch das Tor.
    Ohne Menschen sah der Vorraum gleich zweimal so groß aus, hallten meine Schritte doppelt so laut. Ich zwang mich, nicht auf Zehenspitzen zu gehen. Lehrlinge mussten sich nicht in ihr eigenes Haus schleichen, aber ich trat trotzdem so vorsichtig auf, wie ich nur konnte. Vorbei an dem Wachmann vorm Schlaftrakt. Durch den Krankensaal, den Korridor mit den geschlossenen Türen hinunter und schließlich die Stufen hinauf, die zu Tali führten. Ich griff nach dem Kupfergeländer und trat auf die Stufen.
    »Wo willst du hin?«
    Ach, um der Liebe der Heiligen Saea willen, ließen die denn diese Treppe überwachen? Ich drehte mich um. Eine dunkelhaarige Frau stand wenige Schritte von mir entfernt im Korridor. Vier goldene Litzen prangten an ihrer Schulter.
    »Was?«, fragte ich.
    »Dieser Bereich ist gesperrt.«
    »Ich löse Lanelle während ihrer Frühstückspause ab.« Ich bemühte mich um eine natürlich gelangweilte Miene, eine ungerührte Miene, eine Miene, die besagte, dass das für mich die normalste Sache von der Welt sei.
    »Wie ist dein Name?«
    »Tatsa.« Ich zuckte innerlich zusammen. Führten sie Listen darüber, wen sie nach oben geschickt hatten? »Ich bin ein bisschen spät dran. Lanelle denkt bestimmt schon, ich hätte sie vergessen.« Ich lachte leise und wedelte mit der Hand in Richtung der oberen Etagen. »Kann ich jetzt gehen?«
    Meine vernünftige Bitte kämpfte gegen die Lüge gleich welcher Art, die als Grund dafür genannt worden war, dass niemand die Treppe hinaufgehen dürfe. Die Heilerin runzelte die Stirn und blickte sich um.
    »Niemand hat mir gesagt, dass Lanelle eine Ablösung hat.« Die Turmuhr schlug sieben, ein scharfer Klang in der morgendlichen Stille. »Du kommst mit, während

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