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Die Heilerin - Roman

Titel: Die Heilerin - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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Kätzchen.
    Ich ergriff ihre Hand und legte einen Klumpen Pynvium hinein. »Fühlst du es? Du musst es füllen.«
    Sie wimmerte und schüttelte langsam den Kopf.
    »Du kannst das, Tali. Drücke, bitte, tu es für mich.« Für einen Moment fühlte ich es, ein Beben unter meinen Fingern, als sie ihren Schmerz fortdrückte. Ich reichte ihr den nächsten Klumpen. »Jetzt den.«
    Ein Schluchzen trat über ihre Lippen und brach mir das Herz. Ihre Hände zitterten, waren kaum fähig, das Pynvium zu halten, geschweige denn, es zu umfassen.
    »Bitte, versuch es.«
    Ein weiteres Prickeln, wieder eine Verletzung entsorgt. Nacheinander reichte ich ihr die Klumpen der Hoffnung, flehte sie an, die Kraft zu finden, ihren Schmerz zu entladen. Betete, dass niemand die Vierlitzerin in dem Behandlungszimmer vorzeitig entdecken würde.
    Beim siebten Klumpen kamen ihre Hände zur Ruhe. Beim zehnten kehrte ihre Farbe zurück. Beim zwölften hatten sich ihre eingefallenen Wangen wieder ein wenig gefüllt. Ich reichte ihr den dreizehnten Klumpen, kaum größer als ein Hühnerei. »Der Letzte, Tali, drück, so gut du kannst.«
    Sie tat es, und nebem dem Schmerz, der sich in ihren feuchten Augen spiegelte, regte sich nun auch ihr Bewusstsein. »Wo? Woher? Du?«
    »Ein Schmerzhändler. Ich erkläre es dir später, aber jetzt müssen wir hier raus. Kannst du stehen?«
    Mühsam setzte sie sich auf, fiel aber gleich mit einem gepeinigten Aufschrei zurück auf die Pritsche. »Nein. Tut zu weh.«
    Ich berührte ihr Herz und ihre Stirn. Immer noch so viel Schmerz, aber ich spürte noch etwas, etwas Schlimmeres. Verdicktes Blut wie bei Danello. O ihr Heiligen, habt Erbarmen! Löser waren nicht immun; es bedurfte nur einer höheren Dosis Schmerz über einen längeren Zeitraum, ehe auch sie dadurch zu Tode kamen.
    Ich hatte kein Pynvium mehr. Und sie keine Zeit.
    »Tali, hör genau zu, denn später kann ich dir das vielleicht nicht mehr erklären. Wenn du hier rausgehst, gehst du direkt zu Aylin.«
    »Rausgehe?«
    »Du weißt doch noch, wo Aylin wohnt?«
    Sie zögerte. »Ja.«
    »Geh direkt zu ihr. Sie hat etwas zu essen und frische Kleider für dich. Sie wird dich zu einem Jungen namens Danello und seiner Familie bringen. Du musst sie heilen. Sie hat Pynvium für ihren Schmerz.«
    »Wie?«
    Ich nahm ihre Hände. »Geh, so schnell du kannst, zu Danello, Tali. Sie haben nicht mehr viel Zeit, ehe ihr Schmerz sie umbringt.«
    »Nya, nicht!« Tränen flossen über ihre Schläfen zu den Ohren.
    Mit geschlossenen Augen legte ich meine Stirn an ihre. »Ich liebe dich, Tali.«
    Ich küsste sie auf die Wange und zog .

Zwölftes Kapitel
    H öllenqualen rissen mir die Knie unter dem Körper weg. Ich brach neben Talis Pritsche zusammen. Messer rotierten in meiner Lunge, Nadeln bohrten sich in meinen Bauch. Schmerzen, für die ich nicht einmal Namen hatte, fraßen sich durch meine Gelenke. Ich stöhnte, und selbst das tat weh. Wie hatte Tali das nur so lange aushalten können ?
    »Oh nein, Nya, nein!« Tali glitt von ihrer Pritsche, ging neben mir in die Knie und bewegte sich so schwerfällig, als rechne sie damit, dass jede Bewegung schmerzen müsse. Aber das war nun mein Part.
    »Lauf«, hauchte ich. »Beeil dich.«
    »Warum hast du das getan? Du hättest es nicht tun dürfen.«
    »Geh. Danello. Braucht. Dich.« Jedes Wort zog sich wie eine scharfe Klinge über meine Zunge.
    Sie schlang die Arme um mich. »Ich lasse dich nicht allein.«
    »Geh!«
    »Nicht ohne dich.«
    Die Vierlitzerin, die ich überwältigt hatte, mochte inzwischen wieder zu sich gekommen sein. Schon bald würde jemand sie finden - falls das nicht schon geschehen war. Ich biss die Zähne zusammen und sammelte so viel Schmerz, wie ich nur konnte, in dem Hohlraum zwischen Herz und Bauchraum. Der Schmerz ließ ein wenig nach, aber ich konnte ihn dort nicht lange festhalten. Meine Finger prickelten, drängten mich, den gesammelten Schmerz fortzupressen.
    Wenn ich nur könnte.
    »Tali, du musst gehen«, keuchte ich, hielt mich krampfhaft an den Worten fest. »Wenn sie dich schnappen, könnten sie dich töten.«
    Zorn verfinsterte ihre Miene. »Das haben sie schon versucht.«
    »Dann verschwinde, ehe sie's noch einmal tun.«
    »Ich lass dich nicht allein.«
    Die Tür wurde geöffnet, und Tali schnappte keuchend nach Luft.
    »Tali«, flüsterte ich hastig. »Tränen.« Weinen würde sie zweifellos verraten. Niemand, der in diesem Raum arbeitete, würde wegen eines Haufens nutzloser, verwaister 'Vegs

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