Die Heilerin - Roman
dieser Seite der Gilde. In weichem Gras aufzukommen hörte sich erheblich besser an, als auf dem Pflaster zu landen. Stimmen klangen von unten zu uns herauf, und ich erstarrte, streckte eine Hand aus, um Soek aufzuhalten.
Ich konnte nicht verstehen, was sie sagten, aber das hörte sich nicht nach schlichtem Geplauder an. Ich kauerte mich flach auf das Dach und lugte über den Rand. Zwei Wachleute standen unter uns. Jung, etwa in meinem Alter, mit dunklem Haar.
Ich drehte mich zu Soek um, deutete auf die Wachen unter uns und machte eine Geste mit der Handkante in die offene Hand. Eine Sekunde lang starrte er mich nur an. Dann nickte er.
Es ging nicht weit hinunter, vielleicht sieben oder acht Fuß. Ich mochte nicht viel wiegen, aber Dinge, die von oben kamen, konnten einem schon einen ziemlich kräftigen Schlag versetzen. Soek baute sich neben mir auf, direkt über dem größeren Wachmann.
Ich umfasste den Pynviumsack mit festem Griff und sprang.
Fünfzehntes Kapitel
W ir trafen direkt ins Ziel. Ich landete mitten auf dem einen Wachmann, während Soek den anderen umriss. Fluchend und schreiend endeten wir alle auf einem Haufen. Dann wurden beide Wachen still; der Aufprall auf dem harten Boden hatte sie bewusstlos geschlagen.
Abgekämpft und zerschlagen stemmte ich mich hoch und rannte hinter den nächstgelegenen Strauch. Die Gartensträucher, die eher nach ästhetischen als nach strategischen Gesichtspunkten angepflanzt waren, sahen zwar hübsch aus, aber sie boten so gut wie keine Deckung. Soek kauerte sich hinter mich. In seinem Gesicht spiegelte sich eine sonderbare Mischung aus Furcht und Begeisterung.
»Wir haben's geschafft! Ich kann nicht fassen, dass wir da rausgekommen sind.«
»Pst! Wir haben das Gildegelände noch nicht verlassen.« Bisher waren keine weiteren Wachleute aufgetaucht, aber bei meinem Glück würden sie uns schnappen, ehe wir das Gelände verlassen hatten. »Hier entlang, und bleib unten.«
»Da sind sie! Hinter dem Hibiskus!«, schrie ein Mann vom Dach herunter, als wir den Hofgarten umrundeten.
Meine Muskeln protestierten, aber ich trieb sie weiter an, rannte auf das offene Tor und die Sicherheit in der Menschenmenge dahinter zu. Dieses eine Mal waren die Heiligen auf meiner Seite, und der sonst stets präsente Soldat auf der Brücke war fort, zweifellos von seinem Posten abberufen, um bei der Suche zu helfen. Wir rannten zur Straße, so schnell die Füße uns tragen wollten. Soek tauchte gerade noch vor einem Hafenarbeiter zur Seite, während ich beinahe mit zwei Mädchen zusammengestoßen wäre, die einen Korb mit Früchten trugen.
»Pass doch auf!«
Ich sah mich über die Schulter um. Die Wachen hatten innegehalten, als sie die Straße erreicht hatten, und drehten die Köpfe hin und her. Wir rannten weiter, schlängelten uns zwischen Flüchtlingen, Soldaten und Bauern hindurch, bis ich keine stampfenden Stiefel und keine klirrenden Schwerter mehr hinter mir hören konnte. Eine Frau trat aus einem Geschäft, und ich zerrte Soek hinein, ehe die Tür ins Schloss fallen konnte. Drinnen schlüpften wir hinter ein Gestell voller Kästen mit Marmor-Einlegearbeiten. Der Inhaber musterte finsteren Blickes unsere zerfetzten und blutigen Uniformen und legte die Stirn in Falten.
»Wir haben da ein kleines Problem«, sagte ich.
»Und kein Geld, um was zu kaufen, schätze ich. Macht, dass ihr Land gewinnt!«
Zorn brodelte in mir hoch wie in einem überkochenden Kochtopf. Ich griff in meine Tasche und zog ein paar Münzen hervor. »Ich habe Geld«, sagte ich und schwenkte die Oppa vor seinem Gesicht. »Und ich werde es woanders ausgeben, weil du so ungehobelt bist.«
»Mach das, 'Veg!«
Ich stürmte nach draußen und widerstand dem Bedürfnis, die Tür zuzuknallen. Laute Geräusche erweckten nur Aufmerksamkeit, und einen Baseeri-Händler zu erschrecken war es nicht wert, ein Risiko einzugehen.
Soek kicherte und fuhr sich mit den Fingern durch die wirren Locken. »Ich muss dran denken, dass ich mich bei dir besser nie unbeliebt mache.«
»Ich bin gar nicht so schlimm«, murmelte ich und fühlte, wie die Hitze in meine Wangen stieg.
»Schlimm? Du bist fantastisch. Du hast mir heute das Leben gerettet.« Er lächelte mir zu, und ich spürte, dass ich schon wieder errötete.
»Wir müssen von der Straße verschwinden, bis die Wachen wieder zurück ins Gildenhaus gegangen sind.«
Wir versteckten uns, so gut wir konnten, in der Menge, bis ich ein Gebüsch entdeckt hatte, das groß genug
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