Die Heilerin - Roman
hatte.
Ich warf.
Kein Blitz, keine Entladung.
Aber der Klumpen traf ihn mitten an der Stirn. Er schrie auf und zog den Kopf wieder ein.
Einigermaßen wirkungsvoll, aber selbst gutes Zielen und ein Sack voller Steine würden uns hier nicht rausbringen. Die Gilde hatte mehr Geld als Geveg Bettler, und irgendjemand würde zweifellos bald mit einer echten Pynviumwaffe auftauchen, einer, die stark genug war, uns geradewegs vom Dach zu blitzen.
Noch ein Knarren, und das Fenster wurde wieder geöffnet. Derselbe Wachmann musterte mich finster. Eine rote Beule zierte seine Stirn. Mich von ihm schnappen zu lassen war bestimmt keine gute Idee. Ich beugte mich etwas vor und blickte über den Rand. Das Dach fiel bis zu den nächsten Kuppeln um etwa vierzig Fuß ab.
»Komm mit«, flüsterte ich. Ich schob mich vor und hielt meinen Rock mit festem Griff unter den Knien. Ich musste das absolut richtig einfädeln, anderenfalls würde ich vorbeischießen und das bisschen Hirn, das ich hatte, kreuz und quer auf dem Hof verteilen.
»Da runter?«
»Komm.« Mein Hintern glitt vom Sims, und die Schwerkraft tat den Rest.
»Sie haut ab!«
Ich gewann an Geschwindigkeit. Ich glitt über die Schindeln, die Knie angezogen, während meine Füße mit einem ausdauernden Zischen über den Schiefer scharrten. Der niedrigere Turm und all seine Fenster rasten direkt auf mich zu, dann nicht mehr ganz so direkt.
Ich kam vom Kurs ab.
Ich griff mit einer Hand nach den Schindeln. Meine Richtung änderte sich nicht. Ich neigte mich zur Seite, und ein paar Pynviumstücke kullerten aus dem Sack und klapperten das Dach schneller hinunter, als ich rutschen konnte.
Nein! Ohne diese Klumpen würde ich nie herausfinden, wie ich sie zum Blitzen bringen konnte. Ich stürzte mich auf den Sack, riss mir die Knöchel auf, als ich ihn packte, und schnürte ihn zu. Die herausgefallenen Stücke rollten immer schneller über das Dach. Sie passierten die Kuppel und fielen über den Rand.
Und das würde ich auch tun, wenn ich meine Rutschpartie nicht aufhielt.
Hinter mir hörte ich Soek fluchen. Ich rutschte seitlings weiter, wobei meine Schulter und Hüfte schmerzhaft über die Schindeln rumpelten. Ich schrie auf, als ich auf eine Delle im Dach traf, aber sie verlagerte meinen Kurs nach links, zurück zu den hohen Fenstern der Kuppel. Soek schrie eine Sekunde später auf, und wir beide wurden schneller.
Blöder Plan. Ein verdammt blöder Plan. Großmama hatte recht. Narren handeln erst und denken dann.
Peng!
Ich prallte gegen das Kuppelfenster. Die unter meinen Armen eingeklemmten Pynviumklumpen bohrten sich wie Schlangenbisse in meine Haut. Meine wunden Muskeln brannten wie Feuer. Soek krachte von hinten in mich hinein, und das Glas knirschte. Ich atmete hörbar ein, aber das Fenster hielt.
»Du bist so verrückt wie zehn nackte Hühner«, zischte Soek an meinem Ohr.
Die Wachen über uns brüllten etwas, aber der Wind riss die Worte mit sich fort, ehe ich sie verstehen konnte. Ich kämpfte mich auf die Knie. Ein kräftiger Tritt würde reichen, um das Fenster zu zertrümmern.
Wachleute rannten jenseits des Fensters in den Kuppelsaal. Sie rissen die Münder auf, als wunderten sie sich, uns hier zu sehen. Ich hatte meinerseits nicht damit gerechnet, dass sie uns so schnell finden würden.
Wir brauchten einen neuen Plan. Einen richtigen Plan diesmal, nicht einfach den erstbesten, der mir gerade in den Sinn kam. Das Fenster würde sie nicht drinnen festhalten, und das Dach war gefährlich. Sie würden nicht herauskommen wollen. Also mussten wir auf dem Dach bleiben.
Etwa acht Fuß unter dem Kuppelsaal war ein ungefähr zwei Fuß breiter, halbkreisförmiger Sims mit Säulen an beiden Enden. Unter ihm verlief das Dach weniger abschüssig, aber von dem Sims bis zu der tiefergelegenen Dachfläche war es ein weiter Weg, gute fünfzehn Fuß mindestens. Zwei sehr riskante Abschnitte und ein schlimmer Sturz, sollten wir den Sims verfehlen.
Soek folgte meinem Blick. »Das kann nicht dein Ernst sein.«
»Vielleicht war das Ganze hier keine so gute Idee.«
Kleine Kieselsteine flogen an mir vorbei, und ich riss den Kopf herum. Ich konnte nicht über die Dachwölbung hinwegsehen, aber die Wachen von oben mussten näherkommen.
Ich schob mich näher heran. »Nicht nach unten sehen!«
»Wie soll ich dann den Sims treffen?«
»Schön, dann guck eben nicht ganz runter.«
Ich krabbelte zu einer Stelle, an der ich mich gut festhalten konnte, verknotete den Sack und
Weitere Kostenlose Bücher