Die Heilerin - Roman
war, dass wir beide uns darin verkriechen konnten. Noch konnte niemand den Soldaten Anweisung erteilt haben, Ausschau nach uns zu halten, aber wer wusste schon, wie schnell sich das ändern würde ?
»Meinst du, deine Schwester hat es geschafft?«, flüsterte Soek. Nun, da die Aufregung nachließ, sah er so müde aus, wie ich mich fühlte.
»Ich hoffe es.« Wenn wir es mit der halben Gilde im Nacken geschafft hatten, musste Tali es auch geschafft haben. Aber in diesem Fall müsste eigentlich die halbe Gilde auf der Suche nach ihr sein.
Ich schluckte. Meine Kehle trocknete aus. Nie war ein Kübel Wasser in Sicht, wenn man ihn brauchte. Nicht, dass man uns irgendwo etwas serviert hätte. Der ungehobelte Ladenbesitzer hatte durchaus einen Grund für seinen finsteren Blick gehabt - keinen guten Grund, aber einen verständlichen. Meine geborgte Lehrlingsuniform war überzogen mit Schmutz, Ruß, Blut und Vogelkot. Wie bei der Gilde insgesamt: Die ganzen hässlichen Details fielen einem erst auf, wenn man ihr zu nahe kam ...
»Was sollen wir ...«
»Warte!«, brachte ich ihn zum Schweigen, als für einen Moment ein vertrautes Gesicht in der Menge auftauchte. Danello? Er sah aus wie Danello, aber er trug einen langen Fischermantel. Sogar zugeknöpft, trotz der Hitze. Ich glitt aus dem Gebüsch heraus, um genauer hinzusehen, als Aylin und Tali in mein Blickfeld gerieten.
»Tali!« Ich ging auf sie zu. Sie schreckte auf, rannte dann zu mir und überfiel mich mit einer gewaltigen Umarmung.
»Du lebst!«, stellte ich in dem Moment fest, in dem sie rief: »Du bist entkommen!«
»Ich hab mir solche Sorgen gemacht«, sprudelte es aus mir heraus. »Ich habe nicht geglaubt, dass du es überhaupt irgendwann schaffen würdest, und dann ist der Erhabene gekommen - und, bei allen Heiligen, Tali, tu mir so etwas nie wieder an!«
»Ganz bestimmt nicht, versprochen.«
Aylin schlang die Arme um uns beide. »Du auch nicht, Nya. Ich wäre beinahe gestorben, als Tali mir erzählt hat, was du getan hast.«
Wir lagen uns in den Armen und hüpften umher wie Verrückte, während die Passanten um uns herum uns anstarrten wie, na ja, Verrückte.
»Wir sollten besser von der Straße verschwinden«, sagte Danello. Der Mann in dem albernen Mantel war tatsächlich er. Er sah sich nach den Soldaten um und überprüfte die Verschlüsse des Mantels, ehe er uns sacht in eine mit Gerümpel vollgestellte Seitengasse drängte.
»Du lebst auch!« Ich umarmte ihn und schob ihn dabei versehentlich gegen einen Kistenstapel. »Geht es den Zwillingen gut?«
»Bestens. Tali hat uns alle geheilt.« Wir standen beisammen, sagten nichts mehr, doch dann löste sich auch diese Umarmung auf, und er trat zurück, beide Wangen so rot wie Beerensaft. »Nya, wir verdanken dir unser ...« Er legte die Stirn in Falten und musterte etwas hinter uns. »Jemand beobachtet uns.«
Ich drehte mich um, und Soek trat auf uns zu.
»Hi«, sagte er.
»Wer bist du?«, fragte Danello und öffnete seinen Mantel. Seine Hand schoss zu einem Rapier an seinem Gürtel.
Ich riss die Augen auf. »Was hast du mit dem Ding vor?« Es sah nach einer guten Handwerksarbeit aus, tödlicher Stahl, vermutlich ein Erbstück.
Danello antwortete nicht, starrte nur Soek mit einem gefährlichen Funkeln in seinem Blick an.
»Das ist Soek«, erklärte ich. »Einer der Gildenlehrlinge. Wir haben uns gegenseitig bei der Flucht geholfen.«
Soek schüttelte kichernd den Kopf. »Ich habe nicht viel getan. Nya ist hier die Heldin. Ich schulde ihr mein Leben.«
Ich errötete erneut, und das Funkeln in Danellos Augen verwandelte sich in einen Ausdruck der Sorge. Ich legte ihm die Hand auf den Arm. »Es ist schon in Ordnung, Danello.«
Er ließ zu, dass ich seine Hand wegzog, und der Mantel schloss sich wieder über dem Rapier. Beides zu tragen war ein großes Risiko. Die Leute in der Stadt trugen normalerweise keine derartigen Mäntel, folglich konnte das Kleidungsstück allein schon genauso viel Aufmerksamkeit erregen wie das Rapier.
»Was machst du hier mit dieser Waffe ?«
»Wir waren auf dem Weg, um dich zu retten.«
»Danello hat alles geplant«, sagte Tali. »Wir wollten wieder ins Gildenhaus rein und dieses Mal dich retten.«
»Ach ja?« Ich wusste nicht, ob ich gerührt oder sauer sein sollte. Nach allem, was ich getan hatte, um sie rauszuholen, wollte sie wieder rein und das Risiko eingehen, erneut geschnappt zu werden?
»Wir konnten dich doch nicht einfach dort lassen«, sagte
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