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Die Heilerin - Roman

Titel: Die Heilerin - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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warf ihn hinunter. Glas splitterte zu meiner Linken. Ich ließ mich flach auf den Bauch fallen und schwang meine Füße seitwärts herum, bis sie über den Rand hingen. Schob sie weiter, bis ich nur noch mit den Händen Halt hatte. Soeks Augen waren weit aufgerissen. Seine Hände öffneten und schlossen sich zu Fäusten. Trotz meiner Warnung starrte er immer wieder in die Tiefe.
    »Komm, Soek.«
    »Keine Bewegung!«, brüllte ein Wachmann. Ein weiterer hechtete vor, als wolle er Soek greifen.
    Mit einem knappen Gebet und der Bitte um einen geraden Weg nach unten ließ ich los. Meine Sandalen trafen auf dem Fenstersims auf, und ich wippte rücklings über den Rand hinaus.
    Ich warf mich mit meinem ganzen Gewicht nach vorn und zwang mich, mich flach an das Glas zu pressen. Meine Finger hakten sich im Fensterrahmen fest.
    »Aaaah!« Soek landete neben mir und klammerte sich am Fenster fest. Seine Augen waren so groß wie Monde. Diesmal sah er nicht nach unten.
    »Schnell, her mit dem Seil!«, klang es von oben.
    Seil! Also, das war ein guter Plan. Ein paar Flügel hätten mir im Moment auch gereicht. Ich klammerte mich an das schmierige Glas und versuchte, zu Atem zu kommen. Der Wind drohte uns zusammen mit dem übrigen Laub vom Dach zu fegen.
    Erinnerungen an Tali und mich in dem Baum vor unserem Haus überkamen mich. Sie auf dem Dach, lachend, während ich immer weiter hinaufkletterte. Von der Spitze des Baumes aus hatte man einen tollen Ausblick auf das ganzen Flussdelta und die Fährschiffe. Auf die Fischer in ihren Booten, die auf dem See ihre Netze einbrachten. Ich wusste, Tali würde jubeln, wenn ich es bis oben schaffte. So viel Mut hätte ich nie, würde sie sagen.
    Aber rauf war immer leichter als runter. Ich schluckte. Wir konnten es schaffen. Fünfzehn Fuß waren nicht so viel.
    Ich atmete ein letztes Mal tief durch ... Moment, nicht mein letztes Mal, denk nur das nicht...
    Ein Seil fiel herab und prallte neben mir auf das Glas.
    Vielleicht besser nicht langsam. Schnell war auch gut.
    »Nya, warte!«, rief Soek, streckte die Hand aus und griff nach dem Seil. Dann riss er heftig daran, woraufhin über uns ein erschrockener Aufschrei erklang. Das andere Ende des Seils sauste herab, und Soek fing es auf.
    »Du bist ein Genie«, sagte ich.
    Er grinste und knotete das Seil um eine der Säulen, ehe er sich über den Rand schob. Die Füße gegen die Wand gestemmt, seilte er sich Hand um Hand nach unten ab. Es sah ganz einfach aus.
    »Du bist dran«, rief er, als er die tiefer gelegene Dachfläche erreicht hatte.
    Ich schluckte, ergriff aber das Seil und wickelte es mir um den Arm, so wie er es getan hatte. Ich kroch über die Seite und stemmte meine Füße vor. Meine rechte Sandale rutschte ab, und ich kippte zur Seite. Der andere Fuß verlor den Halt, worauf meine Knie schmerzlich über die Steine schrappten. Ich klammerte mich an das Seil und versuchte mit den Fußsohlen festen Kontakt an der Wand zu finden. Meine Hände brannten, als das Seil durch sie hindurchglitt. Mühsam stemmte ich mich mit den Füßen rücklings die Mauer hinab. Jeder Schritt ließ mir die Knie zittern.
    Auf halbem Wege nach unten gaben meine Arme nach, und ich fiel. Meine Füße trafen zuerst auf dem Dach auf, und der Aufprall erschütterte meine Knochen bis hinauf zum Hals. Funkelnde Sterne sausten vor lauter Schmerz um mich herum. Über mir seilten sich die Wachen ab wie Pynviumspürer, die an den Klippen nach neuen Adern suchten.
    Soek war binnen einen Herzschlags bei mir. »Alles in Ordnung?«
    »Ja, mir geht es gut.«
    Soek half mir auf. Meine wunden Knie brannten, wo ich mir die Haut aufgeschürft hatte. Talis Unterkleid hing in Fetzen Wenn ich es lebend von diesem ekelhaften Dach herunterschaffte, würde ich einen ganzen Oppa für neue Kleider für uns beide ausgeben. Bei den Heiligen, das würde ich tun.
    Keine Zeit für lange Überlegungen. Die ausgedehnte Dachfläche unter uns musste zum Behandlungstrakt gehören. Das Dach war schräg, aber die Neigung war nicht so schlimm, und die Ränder sahen aus, als wären sie gut geeignet, um uns für unseren letzten Sprung, den wir bis zum Boden noch vor uns hatten, an sie zu hängen. Danach blieb nur noch ein langer Lauf zu Tali und Danello.
    »Da sind sie!«
    Noch mehr Wachleute tauchten auf. Sie warfen eine Strickleiter aus dem Fenster der Kuppel über uns. War denn die ganze Gilde hinter uns her?
    Ich schnappte mir den Pynviumsack und glitt hinab zur Dachkante. Die Gärten waren auf

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