Die Heilerin von Lübeck
versuchen. Manchmal hat der Apothecarius welche vorrätig.«
»Tatsächlich?«, wunderte sich Taleke. »Dann brauche ich außerdem italienische Zitrone, Lattichsaft und einen Linsenaufguss. Der Apotheker soll Zuckerrohr und Kampfer hinzufügen und alles rühren, bis es zu einem Brei gemischt ist. Nach Razes wäre dies ein außerordentlich hilfreiches Arzneimittel.«
»Ich tue, was ich kann«, sagte der Medicus, wiederholte die Rezeptur, um sie sich zu merken, und verließ schnell das Krankenzimmer.
Danach begann Taleke bei beiden Kindern mit den hitzesenkenden Anwendungen nach Razes, wofür glücklicherweise in dieser Jahreszeit genügend kaltes Wasser zur Verfügung stand. Taleke versorgte die Tochter, während Frau Cossebode sich in gleicher Weise um ihren Sohn kümmerte. Bei ihm stieg die Körperwärme dennoch, und Taleke machte die Mutter darauf aufmerksam, dass dies ein Zeichen für das bevorstehende Ausbrechen der Blattern sei.
»Ist es besonders gefährlich?«
»Ja«, sagte Taleke. »Ja, jede Phase der Krankheit bringt neue Gefahr. Können wir die Kinder einer Behandlung mit Dampf unterziehen?«
»Wie sieht die aus?«
»Wir benötigen siedendes Wasser in zwei Bottichen. Jedes Kind muss mitsamt dem Behälter in ein großes Betttuch eingehüllt werden. Sie werden davon sehr müde, schwitzen aber alle giftigen Blatternstoffe aus, so Gott will.«
Frau Cossebode trieb ihre Mägde an, Talekes Anordnungen bis aufs i-Tüpfelchen zu befolgen.
Einige Zeit später waren die Kinder wieder in ihren Betten, keines war in Ohnmacht gefallen, was eine schlechte Vorbedeutung gehabt hätte, und beide wiesen jetzt eine mildere Körperwärme ohne Erregung und Unruhe auf.
»Es sieht gut aus«, flüsterte Taleke der Hausherrin zu.
»Dem Herrn sei Dank. Und Euch!« Frau Cossebode fiel auf die Knie und murmelte ein Dankesgebet.
Granatäpfel gab es nicht, alles andere sehr wohl. Außerdem war die Familie begütert genug, um vom Apotheker Rosenwasser mit Gallapfelsaft zubereiten zu lassen, so dass Taleke die Augen der Kinder damit beträufeln konnte. Die große Gefahr der Erblindung würde damit hoffentlich gebannt, und darüber waren nicht nur die Eltern von Herzen froh, sondern auch Taleke. In den folgenden Tagen ging es dann vor allem darum, die Pocken einzutrocknen und die Narbenbildung zu verhindern, was vor allem für das Mädchen wichtig war, das schließlich in eine andere einflussreiche Familie einheiraten würde. Schönheit war da von Vorteil.
Taleke schlief im Krankenzimmer, und das Gesinde wurde darauf eingeschworen, außerhalb des Hauses kein Wörtchen über ihre Anwesenheit fallenzulassen.
Der Kaufmann selbst entlohnte Taleke fürstlich, als die Kinder über den Berg waren.
In der Nacht, als Bertram von Altkerke Taleke abholte, um sie zu Mettekes Haus zurückzubringen, berichtete er ihr in Kürze das Neueste. »Volrad Wittenborch versorgt die französische Madame, da gibt es keine Schwierigkeiten. Er wusste, wo Ihr wart, und mit dieser Lösung war er sehr zufrieden.«
»Ja, das dachte ich mir.« Taleke lächelte in sich hinein.
»Dann gibt es jedoch etwas, das mich wiederum beunruhigt. Auch bei den Negendankes sind jetzt drei Kinder erkrankt. Die Familie ist nicht mit den Cossebodes befreundet, verkehrt also nicht in deren Haus. Dagegen ist sie mit den Puttfarckens ein Herz und eine Seele. Ich fürchte, dass Nicolaus weitermacht …«
»Ich kenne die Negendankes gar nicht.« Jedoch waren Talekes Gedanken nicht bei der Sache. »Bitte, Herr von Altkerke, ich muss zuerst zu meinem Haus, um ein paar Kräuter zu holen und nach dem Rechten zu sehen, vor allem nach meinem Gast …«
»Selbstverständlich, kein Problem.«
Während sie den neuen Weg einschlugen, dachte Taleke über seine Mitteilung nach. »Ich kann natürlich nicht zu den Negendankes …«
»Nein, gewiss nicht. Ich wollte es Euch auch nur erzählen. Ratsherr Negendank hat auf Anraten von Frau Puttfarcken deren Sohn Nicolaus kommen lassen – wegen seiner angeblich neuesten Pariser Kenntnisse.«
»Hoffentlich geht das gut«, murmelte Taleke besorgt.
»Sie haben schon den Priester an die Sterbebetten kommen lassen. Pater Dionysius. Es gibt da seltsame Verbindungen zwischen Puttfarcken und dem Domkapitel, die mir Sorge machen, abgesehen von den armen Kindern.«
»Kann man nichts tun?«
»Nein, das kann man nicht. Lasst Euch nicht einfallen, dieser Familie aller Vernunft zum Trotz Eure Hilfe anzubieten, Taleke. Ihr würdet an die
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