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Die Heilerin von Lübeck

Die Heilerin von Lübeck

Titel: Die Heilerin von Lübeck Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kari Köster-Lösche
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übervorteilen konnte. Dafür biss Nicolaus beim Tausch seiner silbernen Pfennige auf Granit. Der Italiener hob seine eine Handfläche mit dem Lübecker Metall in die Höhe und ließ die andere mit einheimischem Silber auf den Tisch sinken, so dass auch Taleke verstand, was er meinte: Das Lübecker Silber war zu leicht, im fremden Land galt es nichts.
    Schließlich waren sich beide einig und schieden als Handelspartner, wobei jeder den anderen für übervorteilt hielt, wie Taleke zu sehen meinte.
    »Warum lachst du?«, fragte Nicolaus.
    Taleke erklärte es ihm.
    »Was du nicht alles zu sehen glaubst«, murrte Nicolaus.
    »Welche Sprache habt ihr denn gesprochen?«, erkundigte Taleke sich, um die Wogen zu glätten.
    Nicolaus musste selbst überlegen. »Verschiedene. Latein, das er aber anders aussprach als ich, Deutsch, wie wir es sprechen, und Deutsch, das mir eher unbekannt ist. Man muss sich da keine Gedanken machen. Wenn zwei zu einem Handel entschlossen sind, klappt das schon irgendwie.«
    Taleke nickte beeindruckt.
    »Du lernst es auch ganz schnell«, versicherte ihr Nicolaus großmütig in Anbetracht ihrer bewundernden Miene.
    Hoffentlich, dachte Taleke. »Ich würde gerne so wie du rechnen lernen. Während du studierst, muss ich das Essen einkaufen. Ich werde mich von den französischen Bauern und Garköchen auf keinen Fall übertölpeln lassen.«
    Nicolaus lachte schallend und erntete dafür verwunderte Blicke der Passanten. »Ich wusste, warum ich eine pfiffige Person wie dich mitnehme.«
    Taleke spähte verstohlen um sich. Sie mussten sich anpassen lernen. Diese Franken waren anders beschaffen als die Leute auf einem Landgut in Holstein, sogar als die Lübecker, und Taleke beabsichtigte nicht, aufzufallen. Menschen, die unangenehm auffielen, pflegten im Armenhaus zu landen, so hatte Mutter Hilka sie zuweilen gewarnt, ihre eigene erbärmliche Zukunft im Auge.
     
    Auf dem Rückweg gingen Nicolaus offenbar ähnliche Gedanken durch den Kopf. »Ich muss mir Kleidung beschaffen, wie sie hier in Paris getragen wird. Ich will nicht wie ein holsteinisches Landschaf herumlaufen.«
    Taleke unterzog ihn verstohlen einer Musterung. Sie konnte keinen wesentlichen Unterschied zu den Männern an den Wechseltischen erkennen, zumal er mit dem edelsteinbesetzten Schapel um die Stirn, den goldenen Tasseln auf dem Mantel und dem golddurchwirkten Dupfing auf der Hüfte wie ein mit der Mode gehender reicher Mann gekleidet war. Sie murmelte etwas, das er als Zustimmung verstehen konnte oder auch nicht.
    In ihrer Dachstube hing jeder den eigenen Gedanken nach, und sie sprachen nicht viel. Was mochte die Zukunft ihnen bringen? Nicolaus’ Ziel war eigentlich klar. Aber Talekes? Ganz sicher war sie sich nach den ersten Tagen in Paris, dass das Leben auch für eine Frau wundervolle Dinge wie edle Kleidung und eigene Reisewagen mit Dienerschaft bereithielt. Aber wie erwarb man dies? Der Drang, alles darüber zu erfahren, machte sie ganz zappelig.
     
    Am nächsten Tag kam Nicolaus erst in der Dämmerung in ihr Dachzimmer zurück. Mit einem frivolen »Halleluja« trat er ein, hob die Arme über den Kopf und drehte sich selbstgefällig vor Talekes staunenden Augen.
    Sein Rock aus Lübeck, der bis zu den Knien gereicht hatte, war jetzt durch einen hüftkurzen ersetzt, den Nicolaus »Schecke« nannte. Dieses gezaddelte Kleidungsstück war offensichtlich wattiert, jedenfalls wirkten Nicolaus’ Schultern breiter als vorher und die Hüften entsprechend schmaler. Zwischen den Beinlingen trat eine derart auffallende Schamkapsel hervor, dass Taleke mit brennenden Wangen die Augen abwandte.
    »Ich hatte Glück. Ein englischer Adeliger mit meinen Maßen hatte sich die Kleidung schneidern lassen, kam aber beim Turnier im Gestech gegen einen Franzosen um, und niemand holte sie ab. Gefalle ich dir?«, fragte Nicolaus.
    »Ja«, hauchte Taleke überrascht. Ihre Meinung hatte bisher für ihn keine Rolle gespielt. »Du siehst aus wie der Fürst, der bei der Geldwechslerbrücke auf die Insel geritten ist.«
    »Das will ich meinen. Man hat mir auch fürstlich viel dafür abverlangt.«
     
    An das kleine Mietshaus der Puttfarcken in Lübeck dachte Taleke mit Wehmut zurück. Wie konnte einer, dessen Vater solche schmucken Häuschen baute, sich in Paris mit einer Bruchbude aus Schwemmholz abfinden? Sie wunderte sich, dass Nicolaus sich nach den ersten Tagen nicht sogleich aufmachte, ihnen ein besseres Quartier zu suchen. Trotz der Überfüllung der Stadt

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