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Die Heilerin von Lübeck

Die Heilerin von Lübeck

Titel: Die Heilerin von Lübeck Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kari Köster-Lösche
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zuließ.
    Als Zutaten zu ihrem Karpfen erstand sie bei einem anderen Fischhändler in Eis liegende Austern, bei einer Kräuterfrau mit frischer Ware Petersilie, Schnittlauch, Thymian und Knoblauch und eilte nach Hause.
     
    Im Zimmer entledigte sie sich ihres Umhangs und ihres Kopftuches und trug dann die Geräte, die sie zum Grillen benötigte, in ihr Gärtchen hinunter. Kaum war sie wieder oben, um Fisch, Kräuter und Salz zu holen, ließ Lärm vom Hauseingang sie innehalten. Nicolaus allein konnte es nicht sein.
    Sie sah zwei Köpfe auf der engen Stiege.
    Mehr von einem anderen jungen Mann getragen als auf eigenen Beinen, landete Nicolaus schließlich auf dem Boden des Dachzimmers.
    »Wer bist du denn?«, fragte der Jüngling schnaufend und musterte sie abschätzig, während er sich die Stirn wischte.
    »Taleke aus Lübeck«, antwortete sie barsch.
    »Ah, Nicolaus’ Magd. Er hat mir erzählt, dass du für ihn kochst und in seinem Zimmer schlafen darfst. Du warst es auch, die die Gänse verkauft hat, stimmt’s?«
    »Nun, das ist nicht die einzige meiner Aufgaben …«
    »Das kann ich mir denken! So wie du aussiehst … Ich verstehe Nicolaus.« Er lachte. »Der Bursche hat zu viel getrunken. Du musst ihn selbst auf sein Lager hieven. Das kann er nicht auch noch von mir verlangen. Ich haue ab.«
    Trotz seiner Ankündigung verließ er den Raum nicht. Taleke wurde es unter den aufdringlichen Blicken seiner dunklen, tiefliegenden Augen unbehaglich. Nicolaus sollte ihm tatsächlich erzählt haben, dass sie seine Magd war? Das konnte sie nicht glauben. Es war noch nicht so lange her, dass er sie in der Öffentlichkeit besitzergreifend wie eine Geliebte behandelt hatte.
    Der Freund sah kurz auf Nicolaus hinunter, der sich nicht gerührt hatte, sondern gekrümmt auf dem Boden lag und röchelte. »Der kommt so schnell nicht zu sich«, bemerkte er. »Außerdem ist er mir einen Gefallen schuldig.«
    Im selben Augenblick begriff Taleke, welcher Gefallen das sein sollte und wozu er ihren angeblichen Stand als Magd ausnutzen würde. Sie wich an die Wand zurück, und er folgte ihr mit siegesgewissem Grinsen und stützte seine Hände rechts und links von ihrem Kopf an der Wand ab.
    »Wirst du mir gutwillig meine Belohnung geben, oder muss ich Gewalt anwenden?«
    Unter Landstreichern und Muschelbrüdern war er nicht groß geworden. Er stank nicht und war nicht schmuddelig, anscheinend entstammte er einem reichen Haus.
    Und Talekes Schlachtmesser befand sich im Garten. Sie war wehrlos. Ihre Knie gaben nach, und sie rutschte wie gelähmt an der Wand nach unten. Ihr fehlte vor Abscheu selbst die Kraft, ihm die Finger in die Augen zu stoßen.
    Er fackelte nicht lange, riss ihr den Rock vom Leib und machte sich über sie her.
    Sie lag ganz still, bis er fertig war. Danach erhob er sich gemächlich, ordnete seine kniekurze, modische Kleidung in grillengrüner Farbe und stolzierte breitbeinig zur Tür hinaus, ohne sie noch eines Blickes zu würdigen.
     
    Bevor sie sich um sich selbst kümmern konnte, stützte Nicolaus sich mühsam auf den Ellbogen und erbrach rote Flüssigkeit mit Brocken. Taleke blieb nichts übrig, als das säuerlich riechende Zeug mit einem Löffel in den Kübel zu schaffen. Nicht einmal wegsehen konnte sie, denn dann hätte sie womöglich vorbeigetroffen.
    Nachdem sie alles fortgeschafft hatte, machte sie sich daran, Nicolaus von seiner stinkenden Kleidung zu befreien und schließlich auf sein Lager zu ziehen. Danach endlich fand sie Zeit, sich selber eine Kräuterspülung zu verordnen. Es konnte zu spät sein, dessen war sie sich düster bewusst.
    Der Appetit auf Karpfen mit einer Füllung aus seiner Milch, gemischt mit gehackten Austern und Kräutern, war Taleke vergangen. Sie ging in den Garten, zerschnibbelte grimmig Fisch und Kräuter und verstreute alles am Ufer. Mochten Möwen oder sonst jemand sich darüber hermachen.
    Danach setzte sie sich ans offene Fenster, sie lechzte nach einer frischen Brise, und nahm sich eine Buchrolle vor, die sie ausschließlich zu ihrem Vergnügen mitgenommen hatte, ein Werk über die ihr unbekannten Pocken, die keine spezielle Frauenkrankheit darstellten, sondern Männer, Frauen und Kinder befielen, und das von einem Mann mit dem seltsamen Namen Razes geschrieben worden war.
    Fast gelang es Razes, ihre aufgewühlten Gedanken zu besänftigen.
     
    Am späten Abend schlief Nicolaus immer noch seinen Rausch aus, und Taleke war auf der letzten Seite der Abhandlung über die Pocken

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