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Die Heilerin von Lübeck

Die Heilerin von Lübeck

Titel: Die Heilerin von Lübeck Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kari Köster-Lösche
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die kleinen frechen Mädchen in der Schule der Beginen besser gemacht.
    Hatte er sie nach Paris mitgenommen, damit sie für ihn las? Aber, nein, halt, das konnte nicht stimmen. Sie hatte damals ja gar nicht lesen können.
    Was das Lesen betraf, hatte er vermutlich vorgehabt, im Studienhaus zusammen mit den anderen Scholaren zu lernen, in der Erwartung, dass sein Mangel dabei nicht sonderlich auffallen würde. Dann war er stattdessen als Lehrling zu einem Chirurgen geraten, und es gab keine Kollegen, die ihm helfen konnten.
    Aber in ihr hatte er die Lösung seines Problems erkannt, er hatte gefordert, dass sie in wenigen Tagen lernte, was er in Jahren nicht fertiggebracht hatte.

Kapitel 12
    Taleke machte sich schon am frühen Morgen auf, einen frischen Fisch zu kaufen. Zu der schwatzhaften Fischhändlerin ging sie nicht mehr. Ihr neuer Händler hatte seinen Stand am flachen Ufer des Place de Grève, wo Schiffe, Nachen und Barken die Ware landeten, die zum Verkauf in den Hallen bestimmt war. Nur die Wein-Markthalle befand sich auf der linken Seineseite.
    Auf dem Platz herrschte ein ungeheures Gewimmel von Käufern, Verkäufern, Lastenträgern, Dieben und Bettlern. Taleke klemmte ihren Beutel sicher unter den Arm und widmete sich der Auswahl ihres neuen Händlers. Außer Aalen, Rotaugen und Lachs hatte er auch schöne Brassen, das passte ihr gut, denn die konnte sie am Spieß braten.
    Während sie geduldig wartete, dass andere Kunden Geschäft und Unterhaltung hinter sich brachten, fielen ihr die kleineren Flussschiffe ins Auge, die an der Seineinsel im Eierhafen lagen. Von diesen Leuten würde sie sich in Zukunft fernhalten.
    Als sie dann ihre eigene Bestellung etwas umständlich vorgebracht und sich die französische Bezeichnung der Brasse hatte erklären lassen, hörte Taleke hinter sich ein Husten, das sich zu einem lang anhaltenden, bösen Anfall auswuchs. Ein Kind, das gewiss noch nicht zum Arbeiten ausgeschickt wurde, obwohl der Junge und die Mutter sehr ärmlich gekleidet waren. Die Mutter warf Taleke ungeduldige Blicke zu, während alle Käufer in der Nähe ihre Gespräche eingestellt hatten und das Kind misstrauisch beäugten.
    Taleke zahlte schnell, damit die Frau mit dem kranken Sohn an die Reihe kam und ihn wieder nach Hause schleppen konnte. Die Augen des Jungen waren geschlossen, und beim Einatmen hörte Taleke ein deutliches Pfeifen. Sie erschrak. Schafhusten konnte für ein kleines Kind gefährlich sein und zum Ersticken führen.
    Ihre Mutter hatte den Schafhusten mit Kuddelkraut behandelt. Sie brauchten die Ackerpflanze zum Würzen von Kutteln, aber sie war auch ein ausgezeichnetes Heilmittel für allerlei Arten von Husten. »Thymus«, fiel ihr auf Latein ein. Sie nahm die Mutter beim Arm und schüttelte ihn, um sie auf sich aufmerksam zu machen. »Thymus!« Sie ahmte eine Trinkbewegung nach und deutete auf den Jungen.
    Mehrere ältere Frauen nickten. »Thym«, übersetzten sie ins Französische.
    Taleke gelang es dank der eifrigen Helfer, der Mutter klarzumachen, dass sie einen halben Löffel Thymianblätter mit kochendem Wasser übergießen und für die Dauer von drei Ave Maria ziehen lassen sollte. Falls sie in der Lage sei, Honig zu kaufen, wäre der ein ausgezeichnetes zusätzliches Hilfsmittel. Der Junge solle erst den Dampf aus dem Becher tief einatmen und dann das Gebräu schluckweise trinken. Und wenn er nach dem Trunk schwitze, müsse sie die nassen Unterlagen so schnell wie möglich wechseln.
    Solche Ratschläge waren schwieriger zu vermitteln, als Brot und Fisch zu kaufen, und auch schwieriger, als sich mit den Beginen über Lesen und Rechnen zu verständigen, aber endlich war alles geklärt. Eine der Frauen, die beim Übersetzen geholfen hatte, umarmte Taleke und küsste ihr beide Wangen, während die Mutter mit dem Jungen schon auf dem Heimweg war. Dann erkundigte sie sich nach ihrem Namen, und schließlich schieden alle zufrieden voneinander.
     
    Am Nachmittag bereitete Taleke gut gelaunt die Brasse zu, briet sie am Spieß fast fertig und garte sie anschließend in Kalbedin, einer Tunke aus Zingiber, Pfeffer, Kümmel und Roggenbrot in Essig.
    Nicolaus kam rechtzeitig nach Hause, nüchtern, aber außergewöhnlich einsilbig.
    »Ist etwas?«, fragte Taleke schließlich behutsam, als er in der teuren Speise nur unzufrieden herumstocherte.
    »Nein«, knurrte er.
    Hoffentlich hatte er sich nicht mit Maître Josse überworfen. Diese Sorge plagte Taleke am meisten.
    Schließlich kam Nicolaus

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