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Die Heilerin von Lübeck

Die Heilerin von Lübeck

Titel: Die Heilerin von Lübeck Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kari Köster-Lösche
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verschanzen sich einfach in ihrem Studienhaus und machen uns eine lange Nase.«
    »Ich habe Durst«, murrte Pépin uninteressiert.
    »Von den Scholaren hat immer einer Verbindungen zu den allerhöchsten Kreisen Frankreichs«, sinnierte Nouel weiter. »Oder der reiche Vater hat sie, und den alarmieren sie dann, und der setzt in Paris irgendwen unter Druck. Bevor ich’s mich versehe, sitze ich selber im Turm. Und wenn es besonders schnell gehen muss, klemmen sie sich hinter ihren Professor mit der Drohung, dass er das Unterrichtsgeld verliert, wenn sein Scholar in Haft genommen wird. Diese Tricks kennen wir ja. Und sie funktionieren immer! Schade, diesen Nicolaus müssen wir aufgeben. Wir werden einen anderen finden.«
    »Aber jetzt nicht, ich will nach Hause.«
    »Zu deiner weizenblonden Hure, wolltest du sagen.« Nouel grinste dem schwitzenden, nach allem Möglichen stinkenden Pépin ins Gesicht und schlenderte ohne ein weiteres Wort davon.
     
    In der Nacht erwachte Taleke, weil sie fror, als wäre der Winter angebrochen. Der Turm, in den man sie gesperrt hatte, besaß derart dicke Mauern, dass drinnen nur Eiseskälte und einsame Verzweiflung herrschten. Die Mauern waren schwarz vor Nässe, einzelne Wassertropfen liefen an ihnen hinab, und das Kinn tat Taleke von Nicolaus’ Tritt auch noch weh. Das modernde Stroh in einer Ecke stank nach Ausscheidungen von Hunderten von Gefangenen.
    Sie würde hier lebend nicht mehr herauskommen. Für ihresgleichen, die keinen Gönner besaß, gab es nur den Tod am Galgen auf dem Richtplatz vor dem Rathaus. Wer auch immer sie verleumdet hatte, konnte erst dann sicher sein, dass seine Lüge nicht aufgedeckt wurde, wenn sie unter der Erde lag. Aber wer hatte an ihrem Tod ein Interesse?
    Taleke wälzte sich auf ihrem Lager, ohne auch nur für einen Augenblick Ruhe zu finden. Mit großer Erbitterung nahm sie die Gewissheit hin, dass Nicolaus keinen Finger für sie rühren würde, wie ihr am gestrigen Abend klargeworden war. Er hatte ja noch nicht einmal versucht, ihre Verhaftung zu verhindern.
     
    Am Vormittag trat in Begleitung von zwei bewaffneten Knechten ein schwarzgekleideter Mann ein. Der Henker, ging es Taleke ohne große Gemütsbewegung durch den Kopf. Sie hatte in der Nacht mit ihrem Leben abgeschlossen.
    Noch wollte er sie nicht abholen, wie sich erwies. Er rollte ein Pergament aus und verlas in rasender Geschwindigkeit einen Text, den Taleke nicht verstand. Schließlich machte sie die Augen zu und verschloss ihre Ohren vor dem monotonen Sermon.
    Der einzige Satz, den sie auf Anhieb begriff, kam zum Schluss. Die Tonart war eine andere, weil die Aufforderung nicht zum verlesenen Text gehörte. »Nun mach dein Kreuz unter das Schriftstück zur Bestätigung, dass es dir vorgelesen wurde.«
    »Das Kreuz könnt Ihr selber machen, wenn Ihr verhindern wollt, dass ich mit meinem Namen zeichne«, entgegnete Taleke verächtlich.
    »Du kannst … Ihr könnt schreiben?«
    »Selbstverständlich«, schnauzte Taleke. »Denkt Ihr, dass man in anderen Ländern nicht schreiben lernt?«
    »Nun …«
    »Also, nein! Gebt her!« Als ihr die Feder gereicht worden war, schrieb sie hochmütig Taleca de Lubeca unter den Text, der auch ihre Einverständniserklärung zum Ertränken oder noch Schlimmerem sein konnte.
    Über die möglichen Konsequenzen ihrer unvorsichtigen Unterschrift machte Taleke sich erst Gedanken, als lange nach dem Abgang des Schriftführers das Zittern endlich aufhörte, das ihren ganzen Körper erfasst hatte und das von ihrer Wut herrührte.
     
    Am Morgen des zweiten Tages schlug ein städtischer Knecht die Tür zu Talekes Gefängnis weit auf und trat beiseite, um den Weg für sie freizugeben. »Du kannst gehen«, sagte er lakonisch.
    »Zum Richtblock, zum Galgen oder zum Pranger?«
    »Raus!« Seine Geste schien sie in die Stadt zurückzuscheuchen.
    »Meinst du damit etwa, dass ich frei bin?«, fragte sie misstrauisch.
    Der Kerl antwortete nicht, sondern setzte eine Miene des Überdrusses auf.
    Talekes Mut vom vergangenen Tag war wie weggeblasen. Sie dachte an eine Falle, als sie sich vorsichtig an dem Knecht vorbeidrückte und nach der Treppe ausspähte. Er grinste anzüglich, wurde aber nicht handgreiflich. Mit der Hand an der Wand tastete sie sich den schummerigen Gang entlang und fand endlich die Wendeltreppe, die nach draußen ins Freie führte.
    Niemand folgte ihr.
    Schließlich stand Taleke am Seineufer. Die angsteinflößenden Türme des Grand Châtelet hinter sich,

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