Die Heilerin von Lübeck
Arzneimittel soll Eure Frau durch einen Liebstöckel-Stengel schlürfen. Den verkauft Euch auch der Apothecarius, sofern Ihr keinen hilfsbereiten Nachbarn mit einem Garten habt.«
»Ja.«
»Wenn Ihr dann noch Geld erübrigen könnt, lasst Euch vom Apothecarius eine Tinktur aus Salbeiblättern zubereiten. Die kann Eure Frau schluckweise einnehmen, auch in Zukunft, sobald sie bei Nebel die Heiserkeit nahen fühlt. Die Tinktur kann sie über längere Zeit aufbewahren. Habe ich alles verständlich erklärt?«
Dem Bibliothekar versagte vor Dankbarkeit die Stimme. Er konnte nur noch nicken, während er sich Tränen der Erleichterung aus den Augen wischte. »Soll ich Euch nach Hause bringen?«
»Nein, nein, Eure Frau hat Euch nötiger«, erwiderte Taleke schnell. »Ich gehe den Hügel nach oben, an der Kirche vorbei, dann auf der anderen Seite hinunter zur Seine und am Ufer entlang bis zur Brücke. Ganz einfach zu finden.«
»Die Frau muss hier irgendwo wohnen«, grunzte Nouel und sah sich suchend um. Die Fassaden der Häuser wiesen auf Mieter hin, die wenig Geld hatten, aber nicht mittellos waren. Mit der Vermietung verschafften sich die begüterten Bürger von der Seineinsel Nebeneinnahmen, die einem Gendarmen auf ewig versagt bleiben würden. »Es wäre mir recht, wenn es etwas ärmlicher zuginge. Je ärmer, desto wehrloser pflegen solche Leute zu sein.«
Pépin brummte nur, wie immer, wenn Nouel laut nachdachte, ohne eine Antwort zu erwarten.
»Auch wenn du anderer Meinung sein solltest, Pépin: Es schadet nichts, wenn wir als Erstes diesen einfachen, kleinen Auftrag schnell und erfolgreich erledigen. Umso wohlwollender wird unser Marschall sein, wenn wir ihm die Perversen vor die Füße legen, nach denen der Connétable im ganzen Land suchen lässt. Ich wette mit dir, er wird dankbar sein. Und der König wird anerkennen müssen, dass seine Maréchaux nicht schlechter sind als die Connétables! Glaubst du das?«
»Ich dachte, wir sollten uns um Engelmacherinnen kümmern«, klagte Pépin, der dies alles nicht so schnell verstand.
»Kommt noch, kommt noch. Um auf die Frau zurückzukommen: Sie ist fremd, also kann sie sich kaum verständlich machen. Wir ermitteln, verhaften, führen vor. Sie wird keinen Widerstand leisten. Fall erledigt, stimmt’s? Das wird ein Abend, an dem man seinen Wein nach getaner Arbeit zufrieden trinken kann.«
»Meinetwegen. Aber ich schlage sie nicht nieder«, murrte Pépin. »Ich habe jetzt noch das Gefühl, den Matsch aus Blut, Schnodder und Zähnen von der letzten Festnahme an der Faust zu haben.«
»Heute sowieso nicht mehr. Die ist schon bei ihrem Galan im Bett. Für uns ist es höchste Zeit, Feierabend zu machen. Wir heben sie uns auf.«
»Die Mäuler zerreißen sie sich schon auf der Straße«, knurrte Nicolaus einige Tage später.
»Warum?«, fragte Taleke kühl. »Ich denke, die Sache mit den Tempelrittern hat sich beruhigt.«
»Hat sie«, bestätigte Nicolaus spöttisch. »Jetzt sind es nicht mehr die Männer, die Aufsehen erregen. Sondern gewisse Frauen.«
Taleke schwante nichts Gutes. Auf den Knien hockend, sah sie unverwandt zu ihm hoch.
Er blickte mit triumphierendem Lächeln auf sie hinunter. Ausnahmsweise gab es keinen Weindunst, der Taleke umwabert hätte. »Die legal arbeitende Hebamme Cateline soll neuerdings eine Helferin haben, die illegal arbeitet.«
»Ich bin ihre Schülerin!«, antwortete Taleke aufbrausend.
»Ach. Und Halsbräune gehört in die Zuständigkeit von Hebammen? Befindet sich die Spalte nicht vielmehr am weniger interessanten Ende einer Frau?«
»Du wagst es, so niederträchtig über Frauen zu sprechen? Du, ein Sodomit, der als Häretiker verbrannt werden würde, wenn die Kirche es wüsste«, schnaubte Taleke. »Und mit einem frommen Vater, der dich gewiss verstoßen wird, sobald er es erfährt, denn ein ehrenwerter Lübecker Kaufmann kann es sich nicht leisten, einen Sohn wie dich zu haben, der ein Laster wider die Natur ausübt.«
Nicolaus hob blitzschnell den Fuß und trat ihr ins Gesicht.
Taleke versuchte, das Blut zu stoppen, das ihr aus Nase und Mund lief. Wenigstens war es nicht sein Stiefel gewesen, sonst hätte er ihr gewiss die Nase gebrochen, sondern nur der flache Bundschuh. Ein roter Fleck breitete sich auf ihrem Rock aus. Als der erste Schmerz endlich nachließ, dachte sie gar nicht daran, klein beizugeben. »Du bist nur neidisch auf mein Ansehen«, nuschelte sie und setzte sich auf den Hocker.
»Welches Ansehen
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