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Die Heilerin von Lübeck

Die Heilerin von Lübeck

Titel: Die Heilerin von Lübeck Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kari Köster-Lösche
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Handlanger ihres Vaters durchschaut, die auf den Straßen die niederen Dienste der Maréchaux versehen. Ihnen würde nicht nur ich in die Hände fallen. Auch Isabelle selbst.«
    »Das kann ich nur bestätigen«, bemerkte Taleke dumpf.
    »Ich weiß. Dabei ist Euch nicht ein winziger Teil dessen passiert, worauf sich inhaftierte Frauen für gewöhnlich gefasst machen müssen. Euch wurde keine Gewalt angetan, Ihr wurdet nicht gefoltert, und Ihr habt nicht gehungert.«
    »Woher wisst Ihr das alles?«, fragte Taleke verwirrt. »Ich habe es Euch nicht erzählt.«
    Josse lächelte. »Nein, aber meine Schwester. Wenn sie etwas nicht weiß, ist es nicht passiert. Außerdem hat sie selbst dafür gesorgt.«
    »Ich bin ihr nur einmal begegnet, sie kennt mich doch gar nicht …«
    »Diese Begegnung reichte ihr, um Euren Charakter zu erkennen. Der Rest ist ihr verbissener Kampf gegen alle Ungerechtigkeit.«
    »Ich bin ihr zutiefst dankbar. Anfangs dachte ich, Nicolaus hätte so viel Anstand gehabt«, sagte Taleke leise.
    »Ihn wiederum kennt Ihr nicht richtig.«
    »Wahrscheinlich«, stimmte Taleke widerwillig zu. »Euch und Eurer Schwester verdanke ich also mein Leben.«
    »Das wissen wir nicht. Meistens geht es um den Wert, den die Häscher aus einer Beute herausholen können, manchmal um den Lärm, den man wegen ihr schlagen kann, um Aufmerksamkeit bei den Vorgesetzten zu erregen. Ihr müsst entschuldigen, wenn ich es deutlich sage: Wegen einer ausländischen Heilpraktikerin würde sich im Châtelet niemand Ärger einhandeln wollen. Geschickt angebrachte Drohungen an geeigneter Stelle, ein wenig Geld an anderer, reichten aus, um Euch in aller Stille freizubekommen. Vielleicht hätten sie Euch auch ohne Adaliz laufen lassen …«
    Taleke konnte ihr Zittern nicht verbergen. In was war sie nur hineingeraten?
    »Isabelle ist ein ganz anderer Fall«, sinnierte Josse. »Sobald ihre Jungfräulichkeit nach der Hochzeit angezweifelt würde, würde sie zum Zankapfel für zwei hochadelige Familien werden, denen es um die Herrschaft über Frankreich geht. Die Familie des Bräutigams würde sicherstellen, dass der Betrug im ganzen Land vernommen wird. Ob Isabelle sich daraufhin aus Scham in der Seine ertränkt oder in ein Kloster eintritt, interessiert die streitenden Parteien gar nicht mehr. Isabelle wäre ohnehin eines Tages spurlos verschwunden …«
    »Das arme Mädchen!«
    »Ja. Ich lasse Euch benachrichtigen, wenn ich einen Plan ausgearbeitet habe. Es wird spätestens in zwei Tagen so weit sein. Und nun solltet Ihr gehen, Taleke. Bettlerinnen pflegen sich bei mir nie sehr lange aufzuhalten. Meine Gefährtinnen kommen trotz allem aus anderen Kreisen.« Josse blinzelte ihr breit lächelnd zu.
    Taleke schmunzelte. Sie mochte ihn von Herzen gern.
     
    Taleke schlich zurück, wie sie gekommen war, unsichtbar für die meisten, die jetzt kurz vor dem Läuten der Sext in großer Zahl unterwegs waren. Die ersten Bauern kehrten in die Dörfer zurück, vornehme Reiter kamen aus ihren Landhäusern in die Stadt, um im Laufe des Nachmittags in den Palästen ihre Aufwartung zu machen.
    Unter dem Umhang, dessen Kapuze auch ihr Gesicht fast bedeckte, spähte Taleke aufmerksam um sich. Plötzlich entdeckte sie ganz in der Nähe Hengists weiße Hinterhand und die helle Mähne, als er scheute und seinen Kopf in die Höhe warf. Gleichzeitig hörte sie Nicolaus, der ihn in deutscher Sprache zu beruhigen versuchte.
    Neben Hengist trabte verhalten ein Schimmel, der sich mit elegant gebogenem Hals an seinem Gebiss abkaute, mühelos gebändigt von einem Greis mit schwarzen Locken.
    Die beiden Reiter besetzten rücksichtslos die Mitte der Straße, als ob sie ihnen gehörte, und alle wichen selbstverständlich aus. Taleke drückte sich an eine Hauswand und schielte unter ihrer Kapuze hervor. Nicolaus’ Begleiter, schlank und sehnig gebaut, mit kühner Nase und hoher Stirn, gehörte zweifellos zu den Adeligen der Stadt.
    Dann fiel ihr auf, dass Nicolaus vornehme Kleidung trug, die sie noch nie an ihm gesehen hatte. Statt dass er an diesem Vormittag bei einem Jungen einen Verband wechselte, kam er in Begleitung eines offensichtlich reichen Greises vom Land in die Stadt zurück. Anscheinend aus der Gegend des Montmartre-Hügels, dessen mächtiges Benediktinerkloster mit seinen Weinbergen ein beliebtes Ausflugsziel für diejenigen sein sollte, die Zeit und Muße hatten, und wo es auch Landgüter adeliger Herren gab.
    Taleke wurde von Unbehagen erfasst. Noch nie

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