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Die Heilerin von Lübeck

Die Heilerin von Lübeck

Titel: Die Heilerin von Lübeck Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kari Köster-Lösche
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war ihr so gegenwärtig gewesen, was mit Sodomie gemeint war. Zwei gutaussehende Männer, einer älter, der andere jung, und mindestens einer von ihnen reich.
    Warum erschien über den beiden Frevlern weder ein Engel des Herrn, um sie zur Rechenschaft zu ziehen, noch erschlug sie der Blitz, wenn diese Freundschaft so verwerflich war?
    Während die Männer die Hacken in die Flanken ihrer Pferde setzten und sich im schnellen Trab entfernten, grübelte Taleke darüber nach, ob sie ihre Strafe erst im Fegefeuer erhalten würden. Oder empfand der Herr im Himmel Sodomie gar nicht als strafwürdig? Pflegte er dieses Laster womöglich selbst?
    Nein, solche Gedanken gingen zu weit, auch wenn der himmlische Vater ein Mann war. Taleke verbannte die absurden Vorstellungen aus ihrem Kopf und eilte so rasch sie konnte heimwärts.
     
    Als Nicolaus am späten Nachmittag zurückkam, ging Pferdegeruch von ihm aus. Das kostbare Gewand hatte er gegen seine gewöhnliche Kleidung getauscht. Trotzdem zog er sich unverzüglich um und hängte alles zum Lüften in das offene Fenster.
    »Dieser verletzte Junge ist Stallknecht in einem Mietstall und schläft bei den Pferden in einem freien Abteil«, erklärte er naserümpfend auf Talekes Blick hin.
    »Und dann lässt er sich von einem Chirurgen behandeln, statt von einem Barbier?«, fragte Taleke harmlos.
    »Er kann es bezahlen. Er oder seine Familie. Wenn nicht, würde ich ihn gar nicht behandeln.«
    Nein, das würdest du wohl nicht, dachte Taleke. Er war von anderer Art als Josse und Cateline. Vermutlich musste man so sein, um zum Ratsherrn aufzusteigen. »War die Wunde schlimm?«
    »Nein, nein, sie hat sich schon geschlossen. Der Junge hat obendrein noch Fieber bekommen und phantasierte, als ich ihn verband. Wenn er auch dafür Geld hat oder der Besitzer des Mietstalls sich dazu bereit erklärt, rufe ich morgen einen Medicus.«
    »Und du meinst nicht, dass das Fieber von dem Hundebiss herrührt?«
    »Nein. Wieso sollte es?«
    »Ich habe es dir schon einmal erklärt.«
    »Versuch nicht, mich ständig zu belehren, Taleke. Ich behandele eine Verletzung und ein Medicus das Fieber. Beides hat nichts miteinander zu tun, und von beidem hast du keine Ahnung.«
    »Du hast sicher recht«, beteuerte Taleke gleichmütig. Ihr Abendessen würde auf diese Weise sehr viel harmonischer verlaufen. Innerlich aber kochte sie. Nicolaus belog und betrog sie aufs schamloseste.
     
    Maître Josses Benachrichtigung kam bereits am folgenden Morgen mit einem flinken kleinen Boten, der Taleke eine schmutzige Hand entgegenstreckte, um seinen Lohn einzufordern.
    Taleke hätte zunächst nichts weiter zu tun, als in Bettlerinnenkleidung der Sänfte mit Isabelle den Weg zu Maître Josse zu zeigen. Ganz in der Nähe der Gasse, in der Josse wohnte, würde Isabelle aussteigen und der Bettlerin in gebührendem Abstand folgen. Taleke sollte Josse unterstützen, denn für diese Operation benötigte er eine Helferin.
    »Cateline hat mich zu sich bestellt«, schwindelte Taleke am Abend und rauschte aus dem Zimmer, ohne Nicolaus Gelegenheit zu weiteren Fragen zu bieten. Am Fuß der Treppe warf sie sich den schäbigen Umhang über und blickte dann aus der Tür.
    Die Sänfte wartete bereits an der Straßenecke. Taleke machte sich unverzüglich auf den Weg. Zuweilen bückte sie sich, um vermeintlich etwas an ihrem Schuh zu richten, und spähte dabei an ihren Beinen vorbei nach hinten, ohne etwas Auffälliges oder gar Verdächtiges zu entdecken. Die Gesichter der Träger waren stumpf, gleichgültig und ohne jegliches Interesse. Und auf der Straße herrschte ganz gewöhnliche Betriebsamkeit. Maréchaux waren nicht zu sehen.
    Maître Josse überschüttete Taleke mit einem Katalog von Anweisungen. Sie hatte keine Mühe, sich alles zu merken, obwohl sie aufgeregt war. Schlimmer allerdings ging es Isabelle, die kurze Zeit später eintraf, und die jetzt schon bleich wie der Tod war.
     
    Josse hatte Talekes Bewunderung, als er Isabelle ein Gebräu trinken ließ, das sie binnen kurzer Zeit schlaff und träge machte und danach in eine Art Schlaf versetzte, in dem sie mit großer Verzögerung noch auf Fragen antworten konnte. Ihr Herzschlag war normal und kräftig. Von solchen Arzneien hatte Taleke gelesen, aber noch nie ihre Anwendung gesehen.
    Erstmals war Josses Raum aufgeräumt, und er selber war sauber angezogen und nüchtern. Taleke nahm erleichtert zur Kenntnis, dass Josses Selbstbeherrschung in diesem schwierigen Fall ohne Tadel

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