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Die Heilerin von San Marco: Historischer Roman (German Edition)

Die Heilerin von San Marco: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Heilerin von San Marco: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marina Fiorato
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gesagt. Allein dafür könnten sie meinen Kopf nehmen. Wenn ich noch mehr sage, bin ich mit Sicherheit ein toter Mann.«
    Feyra blickte ihm nach, als er davonhuschte, und wusste, dass sie ihn nie wieder sehen würde.
    Da sie nicht wusste, was sie sonst tun sollte, ging sie durch die stillen Höfe zum Palasttor zurück. Ihre Mutter hatte ihr gesagt, sie solle Timurhan auf seiner Reise begleiten. Ihr Mentor hatte gesagt, sie solle ihren Vater auf keinen Fall die Segel setzen lassen. Beide hatten von seiner Fracht gesprochen. Nurbanu hatte sie als das schwarze Pferd bezeichnet, und Haji Musa hatte sie gewarnt, dass sie ihn töten würde. Feyra fühlte sich mit einem Mal sehr jung. Am liebsten wäre sie auf Timurhans Schoß geklettert, hätte an seinem Bart gezupft, wie sie es als Kind getan hatte, ihm alles erzählt und ihn gefragt, was sie jetzt tun sollte.
    Als sie an den Gemächern des Sultans vorbeikam, konnte sie drinnen die Stimme des Sultans dröhnen hören. Sie beschleunigte ihre Schritte, als könne Murad jeden Moment persönlich herausstürmen und sie züchtigen, weil sie seine Mutter hatte sterben lassen. Hätte sie aufmerksamer zugehört und wäre sie nicht so in Eile gewesen, hätte sie vielleicht eine zweite Männerstimme vernommen.
    Und sie hätte diese Stimme vielleicht erkannt. Der Sultan befand sich in einer Besprechung mit ihrem Vater.

4
    Sultan Murad III . hatte seine Herrschaft so begonnen, wie er sie fortzusetzen gedachte.
    Nachdem er aus der Provinz Manisa zurückgekehrt war und den Thron bestiegen hatte, hatte er seine jüngeren Brüder, die sein Vater mit anderen Frauen gezeugt hatte, mit einer Bogensehne erdrosseln lassen. Die Thronfolge war gesichert. Jetzt, im Alter von neunzehn Jahren, war er der unangefochtene Herrscher seines Reiches und bereit, den ehrgeizigsten Plan seines Lebens zu verwirklichen.
    Dem Kislar Aga zufolge, mit dem er soeben eine interessante Unterredung geführt hatte, sollte seine Mutter inzwischen tot sein. Er war endlich frei von dieser Fessel, die sich zuletzt wie eine Schlinge um ihn zusammengezogen hatte, und würde ihre ständige Einmischung nicht länger dulden müssen.
    Genialerweise war er darauf verfallen, die Genuesen die Tat ausführen zu lassen. An seinen Händen klebte kein Blut, denn während die Beseitigung seiner Brüder beim Volk auf Zustimmung gestoßen war und von einem starken Herrscher erwartet wurde, wäre der Mord an seiner Mutter, die sich großer Beliebtheit erfreute, zu weit gegangen. Die Schuld den Genuesen zuzuschieben war ein Meisterstück. Er würde die Gedik seiner Mutter wegen ihrer Nachlässigkeit hinrichten lassen und die Genuesen denunzieren, die seiner Meinung nach mit ihren Unterkünften im Galataturm und dem umliegenden Getto ohnehin einen zu großen Teil seiner Stadt an sich gerissen hatten. So konnte er nicht nur seine Mutter betrauern, wie es sich gehörte, sondern zugleich auch rechtschaffenen Zorn auf Ausländer schüren. Und dieser Hass würde dazu dienen, seinen jüngsten, größten und kühnsten politischen Streich zu unterstützen. Ein derartiges Wagnis war noch nie unternommen worden.
    Der Sultan saß auf seinem Thron und musterte den Mann, der unterwürfig vor ihm auf der marmornen Karte der bislang bekannten Welt stand, die den gesamten Boden des geräumigen Audienzsaales einnahm. Der Mann stand passenderweise im Meer.
    Dieser Mann hatte einst seinem Vater Selim und allen seinen Erben unverbrüchliche Treue geschworen. Ein einstiger Admiral und jetzt, in Friedenszeiten, nur ein alter Kapitän. Nun, der alte Bursche würde bald wieder Admiral sein. Der Gedanke stimmte den Sultan großmütig, ein Gefühl, das er zutiefst genoss, ging es doch mit Macht einher. Es würde noch einen letzten Kampf für den alten Seemann geben. Sultan Murad III . beabsichtigte, eine Schuld einzufordern.
    Als er dem Kapitän seine Anweisungen erteilte, meinte er, den genauen Moment, die genaue Sekunde erkennen zu können, in der Timurhan begriff, dass er von dieser Fahrt nicht mehr zurückkehren würde. Dieser Mann, der sämtliche kartografierten Gewässer des Osmanischen Reichs und jenseits seiner Grenzen durchquert hatte, seit er ein Junge war, würde seine letzte Reise antreten. Murad kostete den Augenblick aus. Er war ein Teil des Gesamtbildes. Die goldene Pracht im Raum, die riesige Marmorkarte und die Diener, die weißen Eunuchen, die alle taub und stumm waren, weil man ihnen auf seinen Befehl hin die Trommelfelle durchstochen und die

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