Die Heilerin
Morgen weiter. Sie hatten Glück, seit gestern schien die Sonne, trocknete die Feuchtigkeit in den Wiesen und ließ alles erstrahlen. Als die ersten Gäste eintrafen, hoffte Margaretha auf ein paar schöne und heitere Stunden, doch überall war Hilfe nötig. Sie eilte von der Küche zu den Gästezimmern, beantwortete Fragen oder brachte Getränke. Gretje krempelte die Ärmel hoch und half tatkräftig mit. In einem kleinen Augenblick der Ruhe nahm sie ihre Tochter in den Arm.
»Ich bin stolz auf dich, Meisje. Mijnheer Platen hat mir gesagt, wie fleißig du warst und wie gut du die Situation überschaut hast. Er sagte, du hättest auf die richtigen Kleinigkeiten geachtet, und ist sehr dankbar für deine Hilfe.«
Errötend strich sich Margaretha mit dem Unterarm über die Stirn. Im Hof flackerte seit dem frühen Morgen ein großes Feuer, über dem die Spanferkel von einem Knecht langsam gedreht wurden. Nun tropfte Fett zischend in das Feuer, und ein köstlicher Duft breitete sich aus. Große Laibe noch dampfenden Brotes wurden aufgetragen, Töpfe mit Butter und Schmalz, Krüge mit schäumendem Bier und süßem Wein auf die Tische gestellt. Die Gesellschaft nahm Platz, senkte den Kopf zum stillen Gebet. Doch schon bald setzten muntere Gespräche ein. Nachdem der erste Hunger gestillt worden war, standen die Kinder auf und liefen auf die Wiesen. Sie spielten Haschen und Verstecken, heiteres Lachen erfüllte die Luft.
Kalte Braten, Sülze, die ersten Äpfel, Kirschen, süße Pfirsiche und vielerlei andere Leckereien wurden nach und nach aufgetragen. Irgendwann ließ sich Margaretha erschöpft auf einer Bank nieder. Bisher hatte sie kaum Gelegenheit gehabt, Luft zu schöpfen.
»Hast du schon etwas gegessen?« Jan stand plötzlich neben ihr.
Margaretha schüttelte den Kopf, strich eine Haarsträhne hinter ihr Ohr und rückte die Haube zurecht.
»Ich hole dir etwas.« Kurze Zeit später kehrte Jan zurück, brachte Wein und Brot, Braten und Kirschen. Obwohl sie keinen großen Hunger verspürte, aß sie doch von den Speisen, die schlicht, aber köstlich waren. Die Sonne stand schon tief am Himmel, über den Feldern tanzte der Staub, den die Kinder aufwirbelten.
»Meinst du, es ist ein gutes Fest?«, fragte Margaretha und schaute sich um. Überall sah sie glückliche und zufriedene Gesichter. Nur an einem Tisch hatten sich die älteren Männer versammelt und zündeten nun ihre Pfeifen an. Dort waren die Mienen ernst.
»Ja, es ist ein gutes Fest. Es hebt sich wohltuend von den albernen Feierlichkeiten in der Stadt ab. Die Hochzeiten der Reformierten verkommen immer mehr zu Possen. Es wird gesungen und getanzt und nicht Gottes gedacht. Dieses Fest hier zur Ehre des Brautpaares ist gottesfürchtig.«
»Ich hatte den Eindruck, dass die Stimmung in der Stadt sich verbessert hätte.« Margaretha brach ein weiteres Stück Brot ab, bestrich es dick mit Butter.
»Mein Vater meint, dass der Eindruck trügt. Es ist die Ruhe vor dem Sturm. Mennoniten wird der Zuzug in die Stadt verweigert, obwohl die Obrigkeiten der Oranier es erlaubt hatten. Der Magistrat ist erbost darüber, dass die meisten unserer Brüder das Bürgerrecht nicht erwerben wollen.« Jan verzog das Gesicht. »Dabei würden sie es andererseits auch gar nicht zulassen wollen.«
»Ernste Gespräche?« Mit einem Krug Wein in der Hand stand plötzlich Dirck neben ihnen. »Mögt ihr?« Er schenkte ihnen ein und setzte sich neben seine Schwester auf die Bank.
Margaretha trank durstig, merkte aber, wie ihr der Alkohol zu Kopf stieg. »Das verstehe ich nicht. Wieso sollte der Magistrat etwas fordern, was er gar nicht will?«
»Das Bürgerrecht?«, fragte Dirck und lachte leise. »Im Prinzip ist es ganz einfach. Es gilt als Ehre, Bürger der Stadt zu sein. Nur als Bürger kann man gewisse Stellen besetzen.Aber unsere Bruderschaft ist daran nicht interessiert. Es reicht uns, Einwohner der Stadt zu sein und die Abgaben zu zahlen. Keiner von uns will in den Magistrat, keiner will Schöffe werden oder andere Ämter einnehmen. Wir dienen Gott und ihm alleine.«
»Richtig«, fügte Jan hinzu. »Einerseits wollen sie uns nicht als Bürger, andererseits sehen sie die Taler, die ihnen verloren gehen. Und zu gerne würden sie uns in die Pflicht nehmen. Möglicherweise hoffen sie so auf eine Bekehrung. Als ob einer von uns zum reformierten Glauben übertreten würde.« Er lachte höhnisch.
»Aber auch als Einwohner zahlt man doch Abgaben.«
»Ja, Margaretha, doch wenn du das
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