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Die Heilerin

Die Heilerin

Titel: Die Heilerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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mir keine bessere Schwiegermutter vorstellen«, sagte Esther.
    »Doch was wird werden«, warf Rebecca ein und nahm ein weiteres Laken aus dem Wäschekorb, »wenn die anderen Brüder heiraten?«
    Margaretha runzelte die Stirn. »Ich hoffe, dass Abraham bald jemand findet, der sein Herz erwärmt. Er ist so still geworden, so hart und unnachgiebig.«
    »Hart? Du empfindest ihn als hart?«, fragte Esther verwundert. »Still, ja, aber hart?«
    »Früher war er anders. Er konnte lachen und Scherze machen. Nun liest er nur noch in der Bibel, versenkt sich ins Gebet. Am wirklichen Leben nimmt er nicht mehr teil.«
    »Das geht vorüber. Wenn erstmal die richtige Frau auftaucht. Und bei Dirck hat es ja noch lange Zeit.« Esther nahm die Enden des Lakens, zog es glatt.
    Margaretha sah, wie Rebecca den Kopf senkte, ihre Wangen waren plötzlich sehr rot. Dirck und Rebecca hatten sich von Anfang an gut verstanden. Oft half er ihr, wenn sie etwas Schweres zu tragen hatte, oder begleitete sie zum Markt. Sollte ihr Bruder etwa mehr in dem Mädchen sehen als eine Magd? Auch sie empfand freundschaftliche Gefühle für Rebecca, mehr als einer Magd zustand. Doch für Dirck ziemten sich solche Gefühle nicht. Die roten Wangen des Mädchens verrieten sie. Soll ich mit Mutter darüber reden?, fragte Margaretha sich besorgt, schob den Gedanken dann aber zur Seite.
    »Aber ob Abraham eine Frau findet, wenn er sich weiter so in die Bibel versenkt?« Esther schüttelte den Kopf. »Er ist fastschon fanatisch. Nächste Woche will er wieder nach Duisburg, um diesen Crisp zu treffen, diesen Engländer.«
    »Der Glaube ist ihm wichtig, er findet darin Halt«, sagte Margaretha leise. »Und Crisp ist für ihn ein leuchtendes Vorbild. Ihn begeistert der stille Glauben der Quäker.«
    »Möglich, Margret. Hermann ist auch gläubig, aber nicht so unduldsam, so … so …« Sie fuchtelte hilflos mit den Armen. »So blind und fanatisch. Hermann stößt es sauer auf, dass Abraham mehr in der Bibel liest als in den Geschäftsbüchern. Er hat die Buchhaltung übernommen, vernachlässigt sie aber sträflich. Statt Angebote einzuholen, Flachs zu kaufen oder Rechnungen einzutreiben, geht er zu Versammlungen der Quäker oder trifft sich mit diesem Engländer.« Esther schnaubte empört. »Und seine Arbeit bleibt an den anderen hängen. Vor allem an Hermann.«
    Margaretha sah erstaunt auf. »Ist Hermann böse auf Abraham? Ich habe gar nicht gewusst, dass es Schwierigkeiten gibt.«
    »Nein, natürlich hast du das nicht gewusst.« Esther lachte bitter auf. »Hermann versucht alles, um den Ärger von Abraham fernzuhalten. Euer Vater ist jetzt schon sehr erbost, aber wenn er wüsste, wie wenig Abraham wirklich macht, würde er vor Wut platzen. Mein Mann arbeitet für zwei. Er macht seine Arbeit und die seines Bruders. Und bald kann er diese Last nicht mehr tragen.« Tränen traten ihr in die Augen. »Hermann ist der beste Ehemann, den ich mir hätte wünschen können, und es dauert mich, ihn so belastet zu sehen. Er macht sich große Sorgen.«
    Margaretha ging zu ihrer Schwägerin und legte ihr den Arm um die Schultern. »Nun komm, setz dich. Wir haben Wein, Brot und Käse dabei.« Sie zog Esther in den Schatten, gab Rebecca ein Zeichen, dass sie den Korb mit der Vesper bringen sollte. Den Wein hatten sie im Wassergraben gekühlt, und die Magd holte ihn nun. Gemeinsam setzten sie sich unter eine der Kopfweiden, die die Wiese begrenzten.
    »Abraham meint es sicher nicht böse. Er braucht nur etwas Zeit, um sich wieder zu fangen. Er hat Schweres durchgemacht«, sagte Margaretha.
    Esther zog die Luft zischend ein. »Ich weiß, was er durchgemacht hat. Das ist bald zwei Jahre her. Wie viel Zeit braucht er noch? Ihr alle schützt ihn, alle zusammen, alle op den Graeffs. Er hat eine Sonderstellung in der Familie. Ihr seht nur nicht, dass ihr es ihm damit gar nicht leichter macht, sondern ihn immer tiefer in seine Glaubenskrise stürzt. Er hat nämlich bei euch keinen Halt mehr.«
    »Bitte?« Erschrocken sah Margaretha ihre Schwägerin an. Noch nie hatte sie die junge Frau so aufgebracht gesehen.
    »Ach, ist doch wahr. Eure Eva starb, euer Schützling. Sie habt ihr immer ganz besonders behandelt, verhätschelt. Als sie starb, blieb eine Lücke, eine Kluft, und ihr alle wusstet nicht wohin mit eurer Fürsorge. Dann wurde Abraham verletzt. Schwer verletzt, ohne Zweifel. Aber seitdem füllt er die Lücke, die Eva gerissen hat. Ihr beschützt und behütet ihn.« Esther holte

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