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Die Heilerin

Die Heilerin

Titel: Die Heilerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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durchsetzen soll.«
    »Aus welchem Grund?«, fragte Hermann leise.
    »Gott hat den Mennoniten die Seuche geschickt, weil wir unsere Kinder ungetauft sterben lassen. Und nun würde die ganze Stadt von Gott gestraft. Verdomme!«
    »In meinem Haus wird nicht geflucht, Zoon.« Isaak richtete sich auf. »Bis du dir sicher, dass solche Worte gesagt wurden?«
    »Natürlich, Vater. Ich stand daneben. Ebenso Fridjoff ter Meer und Daniel Lemmen. Du kannst sie fragen, wenn du mir nicht glaubst.«
    »Wie kommen sie dazu, solch einen Unsinn zu verbreiten?«, fragte Esther, die mit dem Flickzeug neben Hermann saß. »Eine Seuche unserer Glaubensgemeinschaft?«
    »Nun, das kann ich schon nachvollziehen. Im feuchten und kalten Herbst ist das Lungenfieber in der Neuen Stadt ausgebrochen, bei den ärmsten unserer Brüder und Schwestern. Und es verbreitet sich immer weiter, nun sind auch andere Familien betroffen. Aber den Ursprung nahm es dort.« Gretje schüttelte den Kopf. »Das liegt aber sicher nicht an unserem Glauben, sondern an den schlechten Verhältnissen, zu wenig Nahrung, der Enge und der Schwäche der Leute.«
    »Manche Familien haben kaum Brennstoff, bei ihnen ist es bitterkalt, die Wände sind klamm. Man wird schon krank, wenn man sich dort nur umsieht.« Margaretha schauderte und rückte noch ein wenig näher zum Kamin.
    »Ja, es ist furchtbar. Wir tun schon, was wir können, aber es reicht nicht.«
    »Diese Reden sind gefährlich. Missfallen herrscht nun schon länger gegen uns, doch wenn daraus Hass wird?« Isaak stand auf. »Ich muss mit den Ältesten reden.«
    »Was willst du erreichen?« Abraham lehnte sich gegen den Türrahmen.
    »Ich weiß es nicht. Aber wir müssen uns besprechen, müssen gewappnet sein.«
    »Vater, der Hass schwelt seit Jahren. Was willst du machen, wenn er nun ausbricht? Nichts, gar nichts kann die Gemeinde tun. Wir können die andere Wange hinhalten und beten. Mehr nicht. Diese Stadt verfault von innen, sie ist voller Hass und Missgunst. Hier liegt unsere Zukunft nicht.« Abraham drehte sich um und ging nach oben. Krachend fiel die Tür seines Zimmers in Schloss.
    Margaretha sah ihm bestürzt hinterher. Abraham war stillund in sich gekehrt geblieben. An den Abenden, die die Familie gemeinsam in der Stube verbrachte, hielt er sich lieber alleine in seinem Zimmer auf und las in der Bibel.
    »Abraham hat nicht ganz unrecht, Vater«, sagte Hermann nachdenklich. »Es gibt wenig, was wir tun können.«
    »Es gibt etwas, was helfen könnte. Wir müssen die Seuche eindämmen, den Kranken helfen, sie noch mehr unterstützen, als wir es bisher getan haben. Die Gemeinde muss noch besser für ihre Armen sorgen, auch für bessere Quartiere«, wandte Gretje ein. »Und das ist etwas, was du mit den Ältesten besprechen könntest.«
    Trotz aller Bemühungen griff die Krankheit immer weiter um sich. Erst waren nur Säuglinge, Kinder und alte Leute betroffen, doch dann erkrankten auch andere. Nicht nur das Lungenfieber forderte Opfer, auch die Auszehrung und die Ruhr erfassten die Stadt. Die Märkte wurden geschlossen, kaum jemand traute sich auf die Straße.
    Doch schon Ende Februar setzte in diesem Jahr die Schneeschmelze ein. Der Frühling kam früh, brachte milde Luft und viel Sonne mit sich. Die Stadt erholte sich, die Anfeindungen wurden weniger.
    Mit Rebecca und Esther wusch Margaretha das Leinen, brachte es zur Bleiche. Margaretha war nun siebzehn Jahre alt. Im letzten Jahr war sie in die Höhe geschossen, ihr Gesicht hatte alles Runde und Kindliche verloren, doch die blauen Augen blitzten immer noch fröhlich und manchmal voller Schalk. Ihre dunklen Locken trug sie nun nicht mehr als Zopf, sondern in einem festen Knoten im Nacken. Die drei jungen Frauen verstanden sich gut. Obwohl Esther und Hermann ihre eigene Küche und Stube hatten, kamen sie oft ins Nachbarhaus zu gemeinsamen Mahlzeiten und Abenden.
    »Ich hatte so Angst vor deiner Mutter«, erzählte Esther lachend Margaretha, als sie die Wäsche zum Bleichen auf der Wiese ausbreiteten. »Meine Schwester leidet sehr unter ihrer Schwiegermutter. Nichts kann sie ihr recht machen. Ich habebefürchtet, das gleiche Schicksal vor mir zu haben, wenn wir in einem Haus wohnen.«
    »Hermann hatte mir von deiner Sorge erzählt. Da du die erste Schwiegertochter bist, wussten wir nicht, wie Mutter sein würde.« Margaretha grinste. »Doch die Lösung mit den beiden Häusern ist doch gut.«
    »Natürlich. Deine Mutter ist ein herzensguter Mensch, ich könnte

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