Die Heilerin
dem Haus, als ob sie Gevatter Tod kommen sehen würde.
»Ich weiß nicht, Hermann«, sagte eines Abends Gretje erschöpft, »was ich noch tun soll. Sie glaubt wirklich, dass sie sterben wird.«
»Ich weiß«, sagte Hermann düster und zündete sich die Pfeife an. »Wird sie?«
Gretje seufzte. »Ja. Wenn sie so sehr daran glaubt, wird sie es. Sie wird sich gegen den Schmerz stemmen und nicht mitarbeiten, wenn die Wehen kommen. Sie wird verkrampfen und sich aufgeben. Und dann wird sie sterben. Ich habe alles getan, was ich tun konnte. Es tut mir leid.«
»Godverdomme.« Hermann senkte den Kopf. »Das kann doch nicht sein, Moedertje. Es kann nicht sein, es darf nicht sein.« Er schluchzte auf. »Ich liebe sie. Ich liebe sie so sehr, ich mag sie nicht verlieren.«
Margaretha wartete nicht auf die tröstende Antwort der Mutter, sie schob den Hund von ihrem Schoß. Jonkie quittierte dies mit einem unwirschen Brummen. Doch Margaretha erhob sich und ging durch die Küche und den eisbedeckten Hofins Nebenhaus. Sie war es leid, dass alle so litten. Esther lag im Bett, die Hände über dem geschwollenen Bauch gefaltet, und starrte die Decke an. Im Kohlebecken brannte ein warmes Feuer.
»Wie geht es dir?«, sagte Margaretha munter und riss das Fenster weit auf. »Es ist stickig hier. Ein wenig frische Luft wird dir gut tun. Hast du zu essen bekommen?« Sie drehte sich um und sah ihre Schwägerin an. »Wir hatten köstlichen Grünkohl mit Würsten und Speck.«
Esther richtete sich auf. »Schließ das Fenster! Es ist kalt.«
»Ja, das ist es.«
»Ich könnte mir den Tod holen. Mach das Fenster zu.«
»Den Tod? So, so.« Margaretha verharrte nachdenklich, schaute sich dann um. Es hatte wieder zu schneien begonnen. Dicke Tupfen Schnee fielen durch das offene Fenster auf den Dielenboden, schmolzen zu kleinen Pfützen.
»Es ist kalt, Margret!« Esther zog die Decke bis zu ihrem Kinn. »Mich friert. Schließ das Fenster.«
»Damit dich der Tod nicht holt?«, fragte Margaretha belustigt. »Aber ich dachte, du stirbst sowieso. Im Kindbett. Dein Kind kommt in den nächsten Wochen, bis zum Jahreswechsel stirbst du doch eh. Da ist doch so ein offenes Fenster egal, oder?« Sie lachte leise, zog das Schultertuch enger um sich. »Bitterkalt ist es tatsächlich.« Dann nahm sie den Wasserkrug und schüttete ihn auf dem Kohlebecken aus. Zischend erstarb die Glut. »Oh, wie dumm von mir, jetzt ist auch das Feuer aus. Nun ja, drüben in der Stube ist es warm.« Sie nickte Esther zu und stieg die Treppe hinab. In ihrem Magen lag ein dicker Kloß. Sie hatte ungestüm gehandelt, angetrieben von dem Kummer und der Verzweiflung ihres Bruders. Sie mochte Esther, sie mochte sie sehr gerne. Aber alle lieben Worte, alle Beteuerungen, alle Hilfestellungen, Tinkturen und Aufgüsse hatte nichts gebracht. Sie biss sich auf die Lippe, setzte sich dann wieder vor den Kamin in der Stube, rief Jonkie zu sich.
»Wo warst du?«, fragte Dirck.
»Bei Esther. Sie friert. Ich habe mich um das Feuer und das Fenster gekümmert.« Margaretha senkte den Kopf, vergrub die Nase in das dichte Hundefell. Jonkie drehte sich begeistert auf den Rücken und ließ sich den Bauch kraulen.
»Du bist ein gutes Kind«, sagte Gretje.
Margaretha wandte den Kopf ab. Wenn du wüsstest, dachte sie und schämte sich.
Hermann saß immer noch in dem Sessel vor dem Kamin, er hatte die Hände gefaltet und schien tief in Gedanken zu sein.
»Möchtest du ein Glas Würzwein, Margret?«, fragte Dirck und stand auf. »Ich könnte auch noch eines gebrauchen.«
»Gerne.«
»In der neuen Zeitung aus Amsterdam steht schon wieder ein Artikel über William Penn. Das ist schon der dritte oder vierte.« Isaak hielt das Journal hoch.
»Was steht denn da?«, fragte Margaretha, dankbar für jede Ablenkung.
»Dieser Mann, ein Sohn aus reichem Haus, predigt Toleranz und Liberalität. Und zwar auf noch unbekannte und vehemente Art. Schon seit ein paar Jahren fordert er die Länder auf, einen Staat in den Kolonien zuzulassen, der gottesfürchtig, aber glaubensfrei, frei von Beschränkungen der Konventionen und der Kirchen sein soll. Er hat es nicht nötig, die Familie ist wohlhabend.« Isaak schüttelte den Kopf. »Und seine Gedanken sind erstaunlich. So klar und schlicht.«
»Er ist Quäker. Ich habe ihn getroffen. Ein wunderbarer Mensch. Er ist Quäker durch und durch. Gott ist sein Heiland, sein Herrscher. Und trotzdem spricht er mit den Vertretern der englischen Krone.« Abraham setzte
Weitere Kostenlose Bücher