Die Heilerin
sich auf. »Er ist Gottes Kind, Gott untertan, und er hat den Glauben erfasst, in seiner reinsten Güte und Klarheit.« Ein Strahlen schien Abraham zu umgeben, so enthusiastisch war er auf einmal. »Als ich ihn traf, hat er mich begeistert. Er möchte in denneuen Kolonien einen Staat gründen. Frei von Ängsten und Beschränkungen. Frei für alle, die guten Glaubens sind.«
»Frei für alle? Katholiken und Reformierte? Quäker und Mennoniten?« Dirck war in der Türöffnung stehen gebliebene.
»Ja. Frei für alle. Er will nicht das Gleiche nur spiegelverkehrt dort drüben aufbauen, was hier stattfindet. Hier herrschen die Katholiken oder die Reformierten, die Täufer oder anders Gesinnten müssen leiden. Er ist Quäker, tief gläubig, aber er will niemanden den Glauben vorschreiben. Dort, in der neuen Welt, sollen alle nebeneinander leben. In Frieden und Eintracht.«
»Nett.« Isaak lachte auf. »Wie soll das gehen?«
»Vater, was ist falsch daran? Was ist daran verkehrt? Es geht um eine neue Ordnung. Um Gottesfürchtigkeit, um Akzeptanz, um ein friedliches Miteinander. Jeder in seinem Glauben. Warum soll das nicht gehen?«
»Glückt es hier, Abraham? Den Simon Lucken haben die Katholiken nachts zusammengeschlagen. Johann Lenßen wurde von den Reformierten beraubt, seine Frau misshandelt. Das Lager der Familie Arets wurde angezündet, nur mit Not konnte sie den Brand löschen. Die Übeltäter wurden gefasst, aber der Droste von Kinsky beschloss, dass es nur Unfug war, und sie bekamen keine Strafe. Es waren Reformierte. Das klappt nicht.«
»Ach, der Droste. Der lebt in Moers. Was hat er hier schon zu sagen«, winkte Abraham ab.
»Genug, um einzugreifen und die Übeltäter auf freien Fuß zu setzen. Dein Glaube und unserer in allen Ehren, minn Zoon, wir müssen uns an Regeln halten. Wir leben in einer Stadt, die vom Magistrat und vom Droste bestimmt wird.« Isaak schüttelte den Kopf. »Ein netter Gedanke, aber er wird nicht umzusetzen sein.«
»Wo will er das denn verwirklichen?« Dirck schenkte allen nach. Der Wind pfiff um das Haus, es knarrte im Gebälk.
»In den Kolonien, in der neuen Welt.« Immer noch klang Abraham begeistert.
»Ach ja, die neue Welt. Darüber gibt es viele Berichte, aber was davon ist wahr? Die Überfahrt dauert zwei Monate mindestens, nicht jedes Schiff kommt an. Und selbst wenn, was wissen wir über das Leben dort? Nicht viel.« Isaak lehnte sich zurück. »Das ist ein wildes Land, von Wilden bevölkert. Man hört grausame Berichte darüber, wie sie mit ihren Feinden umgehen. Und da willst du hinziehen? Ohne Land? Ohne Einkommen? Was kannst du denn? Wir sind Tuchweber. Wir sind keine Bauern, keine Zimmerleute, keine Maurer.« Isaak schnaubte auf.
»Wir sind gottesfürchtige Menschen, Vater. Wir wollen ein Leben mit Gott. Wir können Tuch weben. Wir können aber auch Früchte anbauen, ohne Bauern zu sein. Seit einigen Jahrzehnten wird dieses neue Land bevölkert. Es soll gutes Land sein, fruchtbar und voller Ertrag. Siedler werden gesucht, sie ziehen dorthin. Und sie brauchen Kleidung und Tuch. Überall braucht man Tuch. Das neue Land mag wie der Garten Eden sein, aber nackt wird dort keiner sein wollen.« Abraham trank einen großen Schluck. »Es könnte eine große Gelegenheit für uns sein, wenn wir uns Penn anschließen.«
Isaak winkte ab. »Das sind Hirngespinste. Es gibt noch nicht mal Land, das man kaufen könnte. Meine Familie wird sich diesem Wagnis nicht aussetzen. Wenn du gehen willst, hast du meinen Segen, aber mehr nicht.«
»Goedenavend.« Esther kam unsicher in die Stube. Sie hatte sich angekleidet, zog den Überwurf fester um sich, obwohl es dank des prasselnden Feuers warm war.
»Meisje«, sagte Gretje glücklich, »Wie schön, dass du da bist. Geht es dir besser? Margret sagte, dass dich friert.«
»Ach?« Esther warf Margaretha einen giftigen Blick zu. Hermann sprang auf und rückte seiner Frau einen Sessel vor den Kamin. Margaretha vergrub wieder ihr Gesicht im Fell des Hundes, der sich auf ihrem Schoß räkelte.
»Ich freu mich so, dass du zu uns kommst. Meisje. Hast du Hunger?« Gretje glühte vor Freude. »Wir haben noch Eintopf mit Würsten und Speck. Das schmeckt dir sicher.« Sie erhob sich.
»Ich hole den Eintopf schon«, fuhr Margaretha dazwischen. »Und dann lass ich nochmal den Hund in den Hof.« Sie räusperte sich und vermied es, Esther anzusehen. In der Küche füllte sie eine große Schüssel Grünkohl, gab Würste und Speck hinzu, brachte
Weitere Kostenlose Bücher