Die Heilerin
klapperten die Webstühle. Es war ein sonniger Tag. Die Tür zum Hof stand auf. In einer Sonnenpfütze auf den Steinen vor der Tür räkelte sich der Kater, Jonkie lag in der kühlen Ecke der Küche. Margaretha schöpfte Hühnerbrühe in Becher und stellte sie auf den Tisch, dann brach sie frisches Brot.
»Schau dich um«, sagte Margaretha. »Uns geht es gut. Wir haben gutes Essen, ein schönes Zuhause. Natürlich gibt es Schwierigkeiten in der Stadt, doch in der letzten Zeit halten sich alle zurück.«
»Ja«, sagte Catharina. »Die Ruhe vor dem Sturm. Fühlt ihr das nicht? Das Pulverfass, auf dem wir sitzen? Irgendwann wird es hochgehen.«
Margaretha sah sie verblüfft an. »Empfindest du das wirklich so?«
»Du nicht?«
»Nein.« Margaretha setzte sich an den Tisch, nahm einen Becher mit Brühe, pustete. Dann nippte sie vorsichtig. »Seit Hermann und Heinrich zurückkehren durften und der Erlass des Prinzen kam, finde ich es friedlicher als vorher. Oft bin ich mit Mutter nachts unterwegs, wenn Frauen in den Wehen liegen oder jemand erkrankt ist. Letztes Jahr noch hatte ich im Dunkeln immer Angst. Die habe ich nicht mehr.«
»Du machst dir etwas vor, Margret. Die Gefahr ist immernoch da. Sie lauert in den Ecken und Winkeln, in den dunklen Höfen. Aber sie ist da, und irgendwann wird das Böse wieder zuschlagen und uns zerstören.«
Margaretha und Esther schauten sich entsetzt an. Catharina saß in sich zusammengesunken am Tisch, hielt den Becher umklammert. Sie war blass, unter ihren Augen lagen Schatten, und sie wirkte schmal, nur der wie aufgeblähte Bauch stach hervor.
»Hartje, wie kommst du darauf?«, fragte Esther vorsichtig. »Bedroht dich jemand? Bist du bedrängt worden?«
Catharina schüttelte den Kopf. »Nein, aber ich spreche viel mit meinem Mann darüber, und er sieht es auch so.«
»Er sieht lauter drohende Gefahren?«, fragte Esther leise.
Catharina nickte stumm.
»Und er lässt dich trotzdem … zurück? Er muss ja furchtbare Angst um dich haben.« Margaretha setzte sich auf, schüttelte den Kopf. »Das passt nicht zu meinem Bruder. Wenn er solche Gedanken in sich trägt und solche Angst um dich hat, dann lässt er dich nicht zurück. Er wäre gar nicht gefahren. Nicht Abraham. Du hast das gewiss missverstanden.«
Catharina starrte Margaretha für einen Moment an, dann stand sie auf, warf in ihrer Eile den Becher mit Brühe um. »Du weißt gar nichts!«, schnauzte sie Margaretha an. »Du weißt überhaupt nichts. Du weißt nicht, wie es um die Geschäfte steht, wie es um die Gelder steht. Es steht schlecht, das sage ich dir. Aber träume ruhig weiter, Meisje. Bisher haben dich ja deine Brüder beschützt und verhätschelt.« Sie stürmte, so gut es mit ihrem dicken Bauch ging, an den beiden vorbei, lief durch den Hof in das Nebenhaus.
»Grundgütiger«, entfuhr es Margaretha leise. »Was ist denn in die gefahren?«
Esther sah der Schwägerin kopfschüttelnd nach. »Das ist bestimmt die Schwangerschaft. Beim ersten Mal hat mich das auch mitgenommen. Hemeltje, hatte ich Angst.«
Margaretha kicherte. »Die hattest du. Du warst ein Schattendeiner selbst. ›Ich sterbe, ich werde sterben‹, hast du immerzu gesagt.« Sie lachte leise. »Und dann wolltest du, dass ich das Fenster schließe, damit du dir nicht den Tod holst.«
»Ja, und du hast es aufgelassen, den Ofen gelöscht und mich weinend und zitternd liegen lassen. Ich fand dich furchtbar und gefühllos. Dann habe ich nachgedacht, bin aufgestanden, habe das Fenster zugemacht und zu euch gegangen. Hättest du mir nicht so drastisch die Augen geöffnet, wer weiß, wie ich die Geburt überstanden hätte.«
»Vermutlich gar nicht.« Nachdenklich sah Margaretha nach draußen. »Meinst du, Catharina hat Angst vor der Geburt? Ist sie deshalb so?«
Esther schüttelte den Kopf. »Ich weiß es nicht. Ich habe schon oft versucht, mit ihr ins Gespräch zu kommen. Von Anfang an habe ich mich in dieser Familie angenommen gefühlt. Bei Catharina scheint das nicht so zu sein. Sie sagt nicht, was sie wirklich bedrückt. Ob es nun die Schwangerschaft ist oder andere Dinge.«
»Nun ja, wir werden versuchen, sie weiterhin anzunehmen. Vielleicht noch geduldiger und mit mehr Einsatz als zuvor. Abraham liebt sie schließlich«, sagte Margaretha.
Kapitel 20
Der Herbst kam und war in diesem Jahr sehr mild und warm. Alle Familien, die einen Wallgarten hatten, füllten ihre Vorratskammern im Überfluss. Die Mastschweine waren so dick wie selten zuvor.
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