Die Heilerin
Streit innerhalb der Gemeinde kommt.« Er trank einen Schluck, blickte nachdenklich zu Boden. »Ich mag deine Familie«, sagte er dann leise. »Ich mag deine Brüder, es sind offene und freundliche Männer, ehrbar und fleißig. Sie leben schlicht und gottesfürchtig.«
»Wenn du das so siehst, warum können die anderen es dann nicht auch?«
»Weil sie Angst haben. Und Angst ist nie ein guter Begleiter.« Er seufzte. »Mein Vater ist auch nicht begeistert von dieser Entwicklung. So sehr er deine Familie mag, dies geht ihm zu weit. Und das macht mir Angst.«
»Wieso?«, fragte Margaretha leise.
Jan zögerte, dann nahm er ihre Hand, sah sie an. »Du musst doch wissen, dass ich weitaus mehr für dich empfinde als nur Freundschaft. Das weißt du doch, oder?« Er biss sich auf die Lippe.
Margarethas Herz klopfte. Sie nickte.
»Margret, ich weiß, du bist noch sehr jung. Und deine Familie braucht dich. Aber in ein, zwei Jahren möchte ich, dass du meine Frau wirst. Ich möchte mein Leben mit dir verbringen.« Jan senkte den Kopf.
Margaretha spürte, dass er zitterte. »O Jan …« Doch bevor sie noch mehr sagen konnte, stürmte jemand auf den Hof. Es war Martin, der Knecht der op den Graeffs. Er sah sie, hielt atemlos inne. »Mejuffer Margret, wo sind Eure Brüder? Sie müssen kommen, schnell kommen …«
»Vater?« Margaretha wurde schwindelig.
Der Knecht nickte. »Es geht ihm sehr schlecht. Eure Mutter schickt mich, ich sollt Euch holen.«
»Gottegot!« Margaretha drückte Jan den Becher in die Hand, lief zur Scheune. Auf den ersten Blick konnte sie Hermann und Abraham nicht finden, nur Dirck sah sie. Sie fasste ihn an der Schulter. »Dirck, wo sind die anderen? Wir müssen nach Hause. Schnell. Vater …«
Dirck sah sie für einen Moment fassungslos an. Tränen liefen Margaretha über die Wangen, doch das bemerkte sie nicht.
»Vater?« Er sprang auf, schaute sich suchend um. »Hermann, Abraham!«, rief er dann. »Kommt, wir müssen nach Hause!«
»Was?« Hermann stand langsam auf, dann sah er Margaretha. Er wurde blass. Die Gespräche verstummten. Alle schauten die Geschwister an.
»Vater …« Dircks Stimme erstarb. Wortlos griffen sie nach ihren Mänteln und verließen das Haus. Im Hof wartete der Knecht, auch er war fassungslos.
»Martin«, sagte Hermann eindringlich. »Begleite unsere Frauen nach Hause. Sie werden nicht so schnell gehen können. Pass auf sie auf, hörst du?«
Der Knecht nickte. »Ja, das werde ich tun.«
Die vier liefen durch die Gasse. Margaretha schürzte ihre Röcke und versuchte, mit den langen Schritten der Brüder mitzuhalten. Sie erreichten atemlos das Haus. In der Diele blieben sie stehen, holten Luft, sahen sich entsetzt an.
»Es kommt nicht überraschend«, sagte Hermann schließlich leise. Sie gingen die Treppe hoch. Das warme Licht einiger Kerzen leuchtete aus dem Schlafzimmer der Eltern. Sie konnten Isaaks schweren Atem hören. Nacheinander betraten sie den Raum. Gretje saß auf dem Bett, hielt die Hand ihres Mannes. Trotz der Tränen sah sie gefasst aus.
Isaak hatte die Augen geschlossen, doch nun öffnete er sie und sah seine Kinder an. »Hermann«, sagte er mühsam, »komm zu mir, minn Zoon.«
Hermann trat an das Bett, Gretje stand auf, und er setzte sich auf die Bettkante, nahm Isaaks Hand.
»Minn Zoon.« Isaak holte röchelnd Luft. »Ich werde von euch gehen.«
Hermann senkte den Kopf, seine Schultern bebten.
»Ich gehe zu Gott, minn Zoon. Ich gehe in das ewige Himmelreich. Ihr müsst nicht trauern. Gott wird mich empfangen.«
»Oh, Vater …«
Wieder atmete Isaak schwer. Mühsam versuchte er, sich aufzurichten. »Minn Zoon, du musst jetzt die Familie führen.« Er ließ sich zurücksinken.
»Mach dir keine Sorgen, Vater. Ich werde das Wohl der Familie, das Wohl aller, immer beachten und danach handeln«, sagte Hermann mit tränenerstickter Stimme.
»Pass auf Margret auf …« Isaak schloss die Augen. Er atmete immer noch, doch die Zeit zwischen den Atemzügen wurde immer länger. Schließlich hob sich sein Brustkorb noch einmal, dann entwich die Luft pfeifend aus seinem Mund.
»Vater!« Margaretha schluchzte auf. »O Gott, Vater …«
»Es ist gut, Meisje.« Gretje nahm sie in den Arm. »Es ist gut. Er hat seinen Frieden gefunden. Sein Leiden ist beendet. Nun ist er bei Gott.«
Margaretha und Gretje wuschen ihn, richteten ihn her, dann bahrten sie ihn in der Stube auf. Schweigend hielten sie Nachtwache. Der Knecht hatte Esther und Catharina nach Hause
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