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Die Heilerin

Die Heilerin

Titel: Die Heilerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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freute sich darauf, auch auf die Stadt an sich, die er ihr so lebhaft beschrieben hatte.
    Fast einen Monat brauchten sie, um nach Rotterdam zu gelangen. Der Weg schien unendlich zu sein, er zog sich hin, und die anfängliche Begeisterung wich dem Unmut. Die Nächte waren klamm, manchmal regnete es, dichter Nebel lag morgens über den Feldern und Wiesen, obwohl es schon Juni wurde. Manch einer der Schwachen, ob jung oder alt, bekam Husten oder Gelenkfieber. Gretje kochte Aufgüsse, rührteBrei, machte Umschläge, kümmerte sich um die Schwachen und Kranken und gönnte sich kaum Ruhe. Ihre Kräutervorräte, die für das Leben in der Neuen Welt gedacht waren, wurden immer kleiner. Sie sah es mit Sorge.
    »Ob ich noch Anis, Eibisch und Kampfer in Rotterdam bekomme?«, fragte sie mit Sorge.
    »Ganz sicher, Moedertje.« Margaretha lachte leise. »Dort in den Handelskontoren gibt es alles und noch viel mehr, als du dir vorstellen kannst.«
    »Woher willst du das wissen, Meisje?«, fragte Gretje misstrauisch. »Du warst nie da.«
    »Das hat mir Mijnheer Pastorius geschrieben.«
    Gretje sah sie an, schüttelte den Kopf. »Er hat dir viel geschrieben, nicht wahr? Du hast zwar versucht, es geheim zu halten, aber ich habe es dennoch bemerkt.«
    »Ja.« Margaretha schluckte. »Wir haben uns geschrieben. Was ist schlimm daran?«
    »Nichts, Meisje, gar nichts. Aber warum und worüber habt ihr euch geschrieben? Du kennst ihn doch gar nicht.«
    Margaretha senkte den Kopf. »Wir haben nur Belanglosigkeiten geschrieben. Er hat mir von seiner Reise berichtet, von Rotterdam und London, über die Schiffe, die im Hafen liegen, über die Handelkontore.«
    »Fast täglich?«
    »Die Städte sind groß, so schrieb er. Es gab jeden Tag etwas Neues zu entdecken und zu berichten.«
    »Und das war alles?« Gretje lachte leise. »Der Mann hat sich in dein Herz geschlichen, nicht wahr? Daran ist nichts Schlimmes, Pastorius ist ein gebildeter, ein zuvorkommender Mann. Wenn er sich in Krefeld niedergelassen hätte, wäre eure Bekanntschaft von Vorteil. Aber ich fürchte, in der neuen Welt wird er vor deinen Brüdern nicht bestehen.«
    »Warum nicht?«
    Gretje zog das Tuch über ihre Schultern, rückte näher zu ihrer Tochter. »Das ist nur meine Annahme, Hartje. MijnheerPastorius ist bestimmt ein guter und gebildeter Mann, aber in der Neuen Welt werden andere Eigenschaften wichtiger sein. Zumindest vorerst. Du hast ihn gesehen. Traust du ihm zu, einen Baum zu fällen? Ein Haus zu bauen? Ein Schwein zu schlachten?«
    Margaretha kicherte leise. »Ich weiß es nicht, aber ich glaube, dazu ist er kaum imstande.«
    »Wie soll er dann für Frau und Familie sorgen, Meisje?«, fragte Gretje ernst.
    »Moedertje, er hat bisher für sein Auskommen gesorgt, und ihm schien es nicht schlecht zu gehen. Wie es in der Neuen Welt wird, weiß doch keiner von uns. Gibt es einen Grund, ihn von vorneherein abzulehnen?« Margaretha schüttelte entsetzt den Kopf. »Das hätte ich nicht gedacht. Und außerdem – wir schreiben uns Briefe. Wir haben uns seit einem Monat nicht gesehen und werden uns vermutlich noch viele weitere Monate nicht sehen. Wir sind befreundet. Von einem Antrag war nie die Rede.« Entrüstet stand sie auf.
    Gretje lachte. »Warum regst du dich dann so auf, wenn es nur ein flüchtiger Bekannter ist? Hartje, ich kenne dich. Sobald sein Name fällt, errötest du. Das ist dir vor vier Jahren das letzte Mal passiert, und da ging es um Jan Scheuten.«
    Margaretha schnaubte. »Jan Scheuten? Ich weiß gar nicht, wer das ist.« Sie stand auf und pfiff nach dem Hund.
     
    Als die Bebauung dichter wurde, die Straßen besser und breiter wurden, wussten sie, dass Rotterdam nicht mehr weit war. Mit Staunen traf der Tross am achtzehnten Juni in der Stadt ein. Benjamin Furly erwartete sie schon. Viele der Familien hatten Freunde oder Verwandte in der Stadt, bei der sie Unterkunft bekamen. Für die anderen hatte Mijnheer Furly Übernachtungsmöglichkeiten besorgt. Die Männer setzten sich zusammen und besprachen mit dem Bevollmächtigten der Land Compagnie nochmals ihr Vorhaben. Auch Jacob Telner stand ihnen beratend zur Seite. Während die Männer diskutierten,gingen die Frauen staunend durch die Stadt. Die hohen Häuser, das Kopfsteinpflaster der Straßen und der Hafen mit den Kauffahrteischiffen beeindruckten sie sehr. Gretje konnte ihr Glück gar nicht fassen. Sie hatte noch nie so viele Kräuter und Gewürze gesehen. Wie gebannt ging sie durch die Gassen, hob

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