Die Heilerin
Wachstuch gewickelt in ihrer Kleiderkiste aufbewahrte. Sie hatte das Gefühl, den Mann durch die Korrespondenz zu kennen, fast so, als hätten sie viel Zeit miteinander verbracht. Sie kannte seine Wünsche und Hoffnungen, die er in das Leben in der Neuen Welt setzte, sie wusste von seinem Traum nach einer Familie, so wie er sie als Kind nie erlebt hatte. Er hatte ihr seine kleinen Schwächen gebeichtet, seine Ängste. Obwohl er mit viel Enthusiasmus in die Neue Welt zog, fürchtete er sich doch davor, dort nicht bestehen zu können.
Margaretha hatte ihm von ihrer Furcht berichtet, aber auch von dem alltäglichen Geschehen in der Familie. Selbst wenn sie nicht so begeistert in die Neue Welt zog wie ihre Brüder, so freute sie sich doch auf ein Wiedersehen mit Pastorius. Er war zu einem Freund geworden, zu einem Vertrauten.
Pastorius hatte fünf Tage gebraucht, um von Krefeld nach Rotterdam zu reisen. Der Tross der Auswanderer brauchte länger. Wie Margaretha schon vorausgesagt hatte, konnten sie weder Postkutschen noch Gasthäuser in Anspruch nehmen. Die Quäker hatten ihr Hab und Gut auf Karren geladen. Nurdie kleinen Kinder durften fahren, die anderen gingen nebenher. Langsam und behäbig ging es voran. Gegen Abend wurde das Nachtlager aufgeschlagen, Feuer entzündet und karge Kost gereicht.
Auf drei Wagen war die bewegliche Habe der Familien op den Graeff verteilt. Obwohl es so aussah, als hätten sie viel, war es dennoch wenig im Vergleich zu dem, was sie hatten zurücklassen müssen. Gretje hatte bei jedem Säckchen, jedem Gramm an Samen, Rinde oder Kräutern, das sie zurücklassen musste, gejammert. Catharina konnte nicht all ihre Kleider und Wäsche mitnehmen, was beinahe dazu geführt hatte, dass die Familie Abraham op den Graeff in Krefeld verblieben wäre. Abraham überzeugte seine Frau von der Abreise mit dem Versprechen, dass sie in Jahresfrist angemessenen Ausgleich bekommen würde.
Esther war es schwergefallen, das gute Geschirr ihrer Großmutter zurückzulassen. Schweren Herzens schenkte sie es schließlich ihrer Schwester.
Rebecca fiel der Abschied aus der Stadt schwer, denn sie ging nicht im Guten. Obwohl ihr Vater schließlich der Hochzeit zugestimmt hatte, schickte er seine Tochter ohne versöhnende Worte fort. Dirck ehelichte sie, nachdem er den Dispens bekommen hatte, in aller Stille.
»Wir holen die Feier nach, hat er gesagt.« Rebecca folgte neben Margaretha dem Wagentross.
»Das werden wir bestimmt, Hartje, wenn wir erstmal in der Neuen Welt angekommen sind. Ich bin froh, dich zur Schwägerin zu haben.«
»Danke.« Rebecca senkte den Kopf. Es war seltsam für sie, plötzlich nicht Magd, sondern Teil der Familie zu sein, obwohl sich ihre Aufgaben nicht verändert hatten. Bis auf Catharina gingen alle sehr herzlich mit ihr um. Catharina strafte sie mit Missachtung.
»Was wirst du am meisten vermissen, Margret?«
»Das weiß ich noch nicht. Ich kann es mir gar nicht vorstellen,wie das Leben dort sein wird. Bisher habe ich immer ein Bild im Kopf – Häuser, so wie wir sie hatten, nur die Umgebung etwas anders. Aber wie kann ich ja noch gar nicht sagen. Es ist diese Ungewissheit, dieses Unbekannte, was mich unruhig werden lässt. Aber alles wird sicher gut werden.« Margaretha schaute sich um, pfiff den Hund zu sich, der im Gesträuch neben dem Weg auf Jagd gegangen war. Sie war froh, dass sie Jonkie mitnehmen durfte. Der alte Kater fehlte ihr in jeder Nacht. Unter freiem Himmel zu schlafen war auch ungewohnt. Die letzten Jahre hatte sie alleine in ihrer Kammer geschlafen, nur der Kater teilte das Bett mit ihr. Davor war die kleine Eva mit im Zimmer gewesen. Doch das ließ sich nicht vergleichen mit der Unruhe, die in dem Nachtlager herrschte. Irgendein Kind schrie oder weinte immer, das Holz in der Feuerstelle knackte, im Gebüsch raschelte es, jemand hustete, seufzte, stöhnte. Wirklich zur Ruhe fand sie selten. Doch nach der ersten Woche siegte die Erschöpfung, und sie schlief ein, kaum dass sie ihr Lager bereitet hatte.
Vielleicht gewöhne ich mich auch nur an die Unruhe, dachte sie müde und wickelte sich in ihre Decke.
Zweimal hatte Margaretha die Möglichkeit, der Postkutsche einen Brief an Pastorius mitzugeben. Sie wusste allerdings nicht, ob die Briefe ihn noch erreichten oder ob er inzwischen ein Schiff für die Überfahrt gefunden hatte. Sie bekam vorläufig keine Briefe mehr von ihm. Er hatte ihr versprochen, weitere Billetts nach Rotterdam zu schicken. Margaretha
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