Die Heilerin
erhalten. Er hatte Pastorius geschrieben und um Verträge gebeten. Die op den Graeffs hatten sich entschlossen, Land bei der Compagnie zu kaufen und es nicht zu pachten. Die Brüder unterschrieben die Verträge, schickten sie zurück in die Niederlande. Margaretha gab dem Boten heimlich ihren Brief, den sie nachts an Pastorius geschrieben hatte.
»Mein lieber Mijnheer Pastorius,
unsere Vorbereitungen nehmen Gestalt an. Schon jetzt sind einige Kisten gepackt, Wäsche zusammengelegt und Listen geschrieben. Meine Brüder wären lieber gestern als morgen abgereist. Auch mich hat inzwischen das Reisefieber erfasst. Eure Zeilen über die gefüllten Handelkontore machen mich neugierig. Doch der Gedanke an die lange Seereise verschreckt mich. Wie habe ich mir das Schiff vorzustellen? Wie viele Personen finden Platz darin und wo? Gibt es Kämmerchen oder Schlafquartiere? Gibt es einen Raum für die Vorräte? Wo wird gekocht, oder ist das gar nicht möglich? Wie lange dauert die Schiffsreise? Diese und viele weitere Fragen stelle ich mir. Was könnt Ihr uns ans Herz legen, was ist wirklich wichtig für das Leben in der neuen Welt? Was müssen wir auf jeden Fall mitnehmen und dürfen wir nicht vergessen? Wäre es Euch möglich das herauszufinden? Nur, wenn Eure Arbeit Euch Zeit dazu lässt. Aber ich wäre Euch zutiefst verbunden, wenn ich Antworten erhalten würde.
Erwartungsvoll,
Eure Margaretha op den Graeff«
Nur drei Tage später erhielt sie den nächsten Brief.
»Meine liebe Mejuffer op den Graeff,
wie froh mich Eure Zeilen stimmten. Da war kein Zweifel mehr zu lesen, nein, indess, die Reiselust, die auch mich erfasst hat, scheint Euch gepackt zu haben. Seid Euch versichert, es lohnt sich. Das sind keine leeren Worte, Mejuffer op den Graeff, nein, es ist ein Versprechen für eine bessere Zukunft.
Das Schiff, das für Eure Fahrt gerade bereit gemacht wird, ist ein Dreimaster mit dem Namen ›Concord‹. Das Schiff ist mit Geschützen ausgestattet. Es wird ausreichend Schlafplätze geben, wurde mir versichert. Es gibt die Möglichkeit, an Bord zu kochen, aber nicht zu backen. Schiffszwieback wird deshalb immer ausreichend mitgeführt.
Das hört sich für Euch sicher auch so fremd an wie für mich, und doch werden wir diese Reise überstehen. Ich werde am Ende der Woche nach England segeln und weiß nicht, wie schnell ich eine Überfahrt in die Neue Welt bekommen kann. Ich hoffe, sehr schnell, denn nun zieht es mich mit aller Macht dorthin. Deshalb werde ich nicht warten, bis die ›Concord‹ seetauglich und beladen ist, sondern Euch voraussegeln.
Ihr solltet Kleidung mitnehmen, fest und wettertauglich, für zwei Jahre, Schuhe desgleichen. Eisen zum Bauen, welches Ihr in England erwerben könnt. Handwerkzeuge wie Hammer, Säge, Axt habt Ihr ja sicherlich. Gute Messer sind auch von Vorteil. Stricke jeder Art sind wichtig, Fischernetze und Flinten zur Jagd. Mir widerstrebt es, Waffen zur Hand zur nehmen, mein Glaube spricht dagegen, aber in langen Gesprächen habe ich mich davon überzeugt, dass es unabdingbar ist, Feuerwaffen ordentlich gebrauchenzu können. Als Schutz gegen die wilden Tiere und zur Jagd. Erwerben solltet Ihr auch Öl, Hirse, Reis – das bekommt Ihr vor Ort günstiger als in Krefeld. Hier werden diese Dinge aus aller Welt angeliefert und weiterverkauft. Belastet Euch also nicht mit diesen Grundstoffen auf der Fahrt hierher. Feld- und Gartensamen werdet Ihr sicher haben, weitere können hier erworben werden. Kessel, Geschirr und irdene Töpfe solltet Ihr mitnehmen. Sicherlich wird mir noch das eine oder andere einfallen. Die meisten Dinge mögen längst auf Euren Listen stehen oder schon verpackt sein.
Während ich durch die Straßen dieser Stadt wandelte, kam ich an mancher Kirche vorbei. Auch hier gibt es die Gemeinschaft der Freunde, und sie versammelt sich regelmäßig, übt den Dienst an Gott gemeinsam in stiller Andacht aus. Trotzdem zog es mich in das eine oder andere Gotteshaus, nicht um das Wort der Schrift zu hören, sondern den wunderbaren Klängen zu lauschen. Eine Orgel ist ein gar wundersames Instrument. Der Blasebalg erzeugt Luft, die den Pfeifen den Klang geben. Der Organist spielt das Instrument auf Tasten. Nun ja, in einer Kirche hörte ich ein Stück, das mir nicht mehr aus dem Kopf gehen will. Es ist ein Kanon, ein Lied, dessen Teile sich wiederholen und aufgreifen. Ein Johann Pachelbel soll es geschrieben haben. Diese Musik hat meine Seele berührt und mir eine
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