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Die Heilerin

Die Heilerin

Titel: Die Heilerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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Gänsehaut verpasst. Wenn Ihr in Rotterdam seid, versucht, das Stück zu hören. Überhaupt ist es eine laute Stadt. Abgesehen von den Rufen der Marktleute, der Kutscher, der Ausrufer und der Menschen, die sich etwas zuschreien, um den Lärm der Straße zu übertönen, ist diese Stadt voller Musik. Bisher hat mich Musik nie interessiert. Wenige Kirchenlieder konnte ich mitsingen, doch hier berührtdie Musik meine Seele. Wie trunken taumelte ich wieder auf die Straße, lief durch die Gassen, nur um am nächsten Tag abermals dieses Kirche aufzusuchen.
    Doch dort war niemand bis auf den Pastor, der mich verwirrt ansah, als ich ihn nach der Musik vom Vortag befragte. Man hätte für eine Hochzeit geübt, er wisse nicht, welches Lied das war und ich solle später wiederkommen. Das tat ich. Und ich hörte wiederum dieses Lied, diesen Kanon. Meine liebe Margaretha op den Graeff, mich hat diese Musik so berührt, so gefasst. Dieses Ineinandergreifen der schlichten und simplen Melodien, es war für mich wie der Gesang der Engel. Gott braucht nicht nur unser Stillschweigen, auch Musik ist Lob. Da bin ich mir nun gewiss, auch wenn dies nicht mit dem Gedankengut der Quäker zusammenpasst.
    Liebe Margret, ich hoffe, ich darf Euch so nennen, ich bete zu Gott, dass auch Ihr diese Musik hören könnt, denn in der Neuen Welt wird es das für lange Zeit nicht geben, und doch sollten wir wenigstens den Gedanken daran mit uns führen.
    Herzlichst Euer
    Franz Daniel Pastorius«
     
    Musik, dachte Margaretha und lachte leise. Pastorius war ein Schöngeist. Statt sich um Geschirr und Wäsche zu kümmern, Werkzeug zu besorgen und nach Verpflegung zu schauen, verglich er Klänge in einer Kirche mit dem Gesang der Engel. Sie hoffte inständig, dass er sich mit der gleichen Inbrunst um das Land für die Auswanderer kümmern würde.

Kapitel 25
    Mitte Mai, kaum einen Monat, nachdem Franz Daniel Pastorius in Krefeld gewesen war, waren die inzwischen dreizehn Familien bereit, die Stadt zu verlassen. Das Gepäck war gepackt, die Häuser und Gärten waren verkauft. An einem frühen Morgen trafen sich die Auswanderer mit ihren Karren und Wagen am Schwanenmarkt. Dann zogen sie durch das Obertor aus der Stadt hinaus, wandten sich auf dem Münkersweg in Richtung Linn.
    Noch einmal ging Margaretha durch die leeren Räume, schaute auf den Hof und strich mit den Fingerspitzen über das schrundige Holz des Küchentisches. Ihr Hals fühlte sich zugeschnürt an, der Mund trocken, und ihre Augen brannten. Tränen hatte sie keine mehr. In den letzten Nächten war sie kaum zur Ruhe gekommen, immer wieder hatte sie die Verzweiflung gepackt, und meist weinte sie sich in den Schlaf. Der dicke Kater saß vor ihr und maunzte leise. Er würde hier bleiben, von dem Käufer übernommen werden, genauso wie die beiden Ferkel im Stall. Den meisten Hausrat, den sie nicht mitnehmen konnten, hatten sie verkauft oder verschenkt. Wieder sah sich Margaretha um, ohne die Kessel und Töpfe, ohne die getrockneten Kräutersträuße ihrer Mutter wirkte das Haus seltsam fremd.
    Sie drehte sich um und ging. Krachend fiel hinter ihr die Tür ins Schloss. Obwohl sie gedacht hatte, dass sie nie wieder würde weinen können, schossen ihr die Tränen in die Augen.
    Langsam ging sie die Straße entlang zum Schwanenmarkt, rieb sich die Tränen in die Wangen und atmete tief durch. Zum letzten Mal ging sie hier entlang, zum letzten Mal sah sie den großen Brunnen auf dem Marktplatz. Sie war nicht die Einzige, die trauernd Abschied von der Stadt nahm, etliche bedrückte Gesichter waren unter den fast fünfzig Auswanderern zu sehen. Es dauerte eine Weile, bis der Tross sich aufgestellt und langsam in Bewegung gesetzt hatte. Ein letztes Mal schrittensie durch das große Tor. Viele drehten sich um, als sie die Straße entlanggingen, und warfen noch einen Blick auf die Stadt, die ihre Heimat gewesen war. Margaretha blickte nicht zurück. Sie wusste, sie würde die Stadt nie wieder sehen. Schließlich hob sie ihren Kopf, atmete tief durch und straffte die Schultern. Was immer auch nun kommen mochte, sie würde es ertragen.
    Jonkie lief neben ihr, schaute sie hin und wieder verwirrt an.
    »Ja«, murmelte Margaretha. »Nun ist es wahr. Wir ziehen von dannen.«
    In ihrer Manteltasche war der jüngste Brief von Pastorius. Sie hatte ihn noch nicht gelesen, wollte sich Zeit dafür nehmen. Fast täglich waren Briefe zwischen ihnen ausgetauscht worden, über dreißig hatte sie nun von ihm, die sie in

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