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Die Heilerin

Die Heilerin

Titel: Die Heilerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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zog sie sich das Umschlagtuch fester um die Schultern.
    »Ist dir kalt?«
    »Hast du keine Angst? Vorhin, als wir in das Dickicht gegangen sind, um nach Wurzeln und Pilzen zu suchen, hat esimmer wieder geknackt. Ich hatte das Gefühl, dass uns jemand beobachtet.« Tränen stiegen ihr in die Augen. »Was, wenn die Wilden uns überfallen?«
    »Ach, Hartje, hab keine Angst«, sagte Margaretha mit mehr Überzeugung, als sie selbst besaß. »Wir sind so viele, da wird uns niemand überfallen. Außerdem sind wir in dieses Land gekommen, um Gott in Frieden huldigen zu können. Er wird es mit Wohlwollen sehen und uns beschützen.« Sie nahm Rebecca in die Arme und drückte sie an sich.
    Das Getümmel wurde inzwischen lauter. Nun war auch ein langsamer Hufschlag zu hören. Bald darauf kamen Männer mit Ochsenkarren auf die Lichtung.
    Gespannt sah Margaretha ihnen entgegen. Würde Franz Daniel Pastorius dabei sein? Sie musste nicht lange warten, er gehörte zu den Ersten, die zu ihren Brüdern traten. Die Männer umringten ihn gleich und begrüßten ihn lautstark. Ihr Herz schlug schneller, sie versuchte einen weiteren Blick auf ihn zu erhaschen, doch die Männer standen ihr im Weg. Sie löste die Arme von Rebecca, ging zu ihnen, aber wie eine Wand standen die Männer ihr im Weg.
    Immer wieder konnte sie nur einen kurzen Blick auf Pastorius erhaschen, obwohl sie sich auf die Zehenspitzen stellte und versuchte, sich nach vorne durchzudrängeln. Er hatte abgenommen, sah verändert aus. Wie er sich verändert hatte, konnte Margaretha nicht so recht entscheiden. Sein Gesicht wirkte hager, und die Ernsthaftigkeit, die schon immer über ihm gehangen hatte wie Wolken über einem Tal, hatte nun Furchen um den Mund gezogen. Zwischen seinen Augenbrauen stand eine tiefe Falte und schien seine Stirn in zwei Hälften zu teilen. Er war braungebrannt, sah aber trotzdem erschöpft aus.
    Vielleicht täusche ich mich aber auch, dachte Margaretha verstört. Es kann doch nicht sein, dass er hier trübsinniger wirkt als früher. Hier sollte er doch angekommen sein, im Land seiner Träume und Wünsche. Doch dann meldeten sichihre Zweifel wieder, der Magen zog sich zusammen, und es pochte hinter ihrer Stirn – vielleicht war dies nicht das Land der Verheißung, von dem er geträumt und gepredigt hatte, vielleicht war hier alles anders. Möglicherweise war er enttäuscht worden, und das würden sie nun auch. Sie hatten alles aufgegeben für Pastorius’ überzeugende Worte – ihr Haus, ihre Heimat, ihre Existenz.
    Margaretha drehte sich um, sah Rebecca am Rande der Lichtung stehen, aus ihrer Körperhaltung sprach die pure Verzweiflung. Gretje saß zusammengesunken neben dem Feuer, den Kopf auf die Arme gebettet.
    »Lieber Himmel«, flüsterte Margaretha, »haben wir einen Fehler gemacht?« Die Angst um ihre Mutter, um die Familie und die Zukunft legte sich wie eine kalte Hand um ihr Herz.
    Der Pulk, der sich inzwischen um Pastorius und die Ochsenkarren gebildet hatte, löste sich auf. Die Männer strömten zu den Kisten und Kästen, zu den Vorräten und Habseligkeiten, die am Ufer aufgereiht lagen, packten sie und trugen sie zu den Karren.
    Wir sind jetzt hier, dachte Margaretha, und es gibt keinen Weg zurück.
    »Margaretha?« Jemand berührte sie sacht an der Schulter, sie fuhr erschrocken herum. »Margret …«
    Sie schaute in Pastorius’ Gesicht. »Franz Daniel …«
    »Ihr habt es geschafft, Ihr seid hier. Ich bin so froh«, sagte er leise, aber eindringlich, dann fasste er ihre Hände, hielt sie fest. Sein Händedruck war warm und angenehm.
    Margaretha schloss die Augen, hätte sich am liebsten an ihn gelehnt, sich in seine Arme geschmiegt, doch das ging natürlich nicht.
    »Warum sollten wir nicht hier sein?«, fragte sie und sah ihn an. Von nahem sah er noch verhärmter und gezeichneter aus. Die Lachfältchen um seine Augen hatten sich zu einem Strahlenkranz ausgeweitet, die Stirn war gefurcht, und sein Haar wies weiße Strähnen auf. Seine Haut spannte sich wie Pergamentum die Kieferknochen. Vorsichtig hob sie die Hand, zögerte, strich dann doch sanft über seine Wange.
    »Ich wusste nicht, ob Ihr das Schiff tatsächlich nehmt, die Überfahrt wagt, hierherkommt. Alles dauerte so lange.« Pastorius seufzte auf, dann fasste er wieder ihre Hände, hielt sie fest. »Aber jetzt seit Ihr hier. Jetzt bist du hier.« Für einen kurzen Moment schloss er die Augen. »Alles wird gut werden.«
    »Ist es das denn nicht?« Margaretha trat einen

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