Die Heilerin
Blick war voller Sorgen und Zweifel, seine Stirn in Falten gezogen. Doch dann hob er den Kopf.
»Meine lieben Brüder und Schwestern, dies ist erst der Anfang, ein Beginn. Der Beginn unserer strahlenden Zukunft. Dies sind die ersten Häuser der glorreichen Stadt Philadelphia. Einer Stadt, die wachsen und gedeihen wird. Sie wartet auf uns, auf euch. Ihr werdet sie groß machen. Groß und stark und reich. Noch ist sie klein, wie ein Bohnenkeimling, der die ersten Blätter gen Sonne streckt, aber bald schon wird sich hier Haus an Haus reihen, die Straßen werden befestigt sein, das fruchtbare Land ist da und wartet nur darauf, von euch urbar gemacht zu werden. Es liegt in eurer Hand – wollt ihr diese Zukunft?« Pastorius hielt inne, sah sich um, schaute dann zu Margaretha. Sie nickte ihm zu, es waren die richtigen Worte, um die Siedler zu begeistern.
»Wollt ihr hier leben?«, fuhr Pastorius fort. »Wollt ihr diese Stadt, diesen Staat aufbauen, euer Leben hier gestalten? Wollt ihr hier euren Glauben frei leben, frei von der Unterdrückung anderer? Dann müsst ihr anpacken und eure Zukunft aufbauen. Hier und jetzt müsst ihr neu anfangen, ohne Enge und Mauern in Herz und Verstand. Aber ihr müsst es wollen, Brüder und Schwestern. Wollt ihr?«, fragte er in die Runde. Für einen Moment schwiegen alle. Margaretha hielt den Atem an.
»Ja«, sagte eine Stimme zuerst zaghaft, doch dann schlossen sich ihr andere an, und schließlich riefen alle laut: »Ja, das wollen wir!«
Pastorius hob die Hände, beschwichtigte die Rufenden.»Gut!«, sagte er und nickte, schaute in die Runde. »Das ist gut! Ich empfinde ebenso wie ihr. Und ebenso wie ihr war ich entsetzt darüber, dass es noch gar keine Stadt gibt. Denn dies ist alles, was bisher hier vorhanden ist – ein paar wenige Häuser aus Stein gibt es, ja, doch, die sind schon gebaut worden. Feste, standhafte Häuser aus gutem Stein.« Wieder hielt er inne, nickte. »Aber es sind noch nicht viele, noch nicht genug. Dreihundert Menschen leben bisher in Pennsylvania. Dreihundert. Aber nun gibt es fünfzig wackere Siedler mehr – ihr seid hier und weitere werden euch nachfolgen.« Er senkte den Kopf, holte tief Luft. »Sie werden euch folgen. Das Land ist noch roh, es ist Wald, aber es ist euer Land.«
»Der Boden ist gut und fruchtbar!«, rief jemand dazwischen.
»Ja, das ist er«, bestätigte Pastorius. »Der Boden ist fruchtbar. Hier werden wir siedeln, frei, aufrecht und gottgefällig.«
Wieder hob Pastorius die Arme und blickte in die Runde. Zustimmendes Gemurmel war zu hören. Inzwischen waren seine Wangen gerötet, die Augen leuchteten, die Angst und die Anspannung waren von ihm abgefallen wie die Haut einer Zwiebel.
»Täuscht euch nicht, Brüder und Schwestern. Dies ist eine schwere Aufgabe, eine Probe, die wir bestehen müssen.« Er sah in die Gesichter der Siedler, streifte Margarethas Blick nur, hob dann den Kopf und schaute in den Himmel. »Gott ist mit uns. Dies ist ein Staat, um den Glauben an Gott zu leben. Frei zu leben. Ohne Beschränkung, ohne Unterdrückung. Ein Staat für Gott und den Glauben.« Wieder hielt er inne, senkte den Kopf. »Es wird mühsam werden, der Winter kommt bald, und noch haben wir nur wenig. Aber wir können es schaffen. Lasst uns dafür beten. Amen!«
»Amen!«, erschallte es vielfach. Margaretha biss sich auf die Lippe. Er hatte die Menschen überzeugt, und das war gut. Pastorius hatte Rückgrat, er stand für seine Ideen ein. Doch würde sie das über den Winter bringen?
Doch Zuversicht verbreitete sich. Pastorius ging allen voran. Er brachte sie zu einem großen Lagerhaus, in dem sie ihr Lager aufschlagen und ihre Habseligkeiten verstauen konnten. Die Verhältnisse waren noch enger und bedrängter als an Bord der »Concord«.
Klaglos nahmen die Siedler das Quartier an. Ihnen allen war bewusst, dass das Jahr weit fortgeschritten war und ihnen nicht mehr viel Zeit blieb, um Vorräte zu beschaffen und Unterkünfte zu bauen.
Den ersten Tag verbrachten sie damit, ihre Kisten und Kästen zu ordnen und sich, so gut es eben ging, einzurichten. Stroh als Lager musste reichen.
»Es ist ja nicht für lange«, beruhigte Hermann die Siedler. »Morgen schon werde ich mit Pastorius zu Mijnheer Penn gehen, um uns das Land zuteilen zu lassen.«
Sie entfachten mehrere Feuer vor der Scheune, hängten die gusseisernen Töpfe darüber und kochten eine karge Abendmahlzeit, die Margaretha jedoch mit frischen Kräutern würzen konnte. Aufmerksam
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