Die Heilerin
Du musst aufstehen.« Margaretha berührte die Mutter sanft an der Schulter. Die alte Frau stöhnte nur. »Moedertje? Du musst jetzt stark sein. Bitte.«
»Hartje?« Gretje drehte sich um, sah sie an. Ihr Blick war unsicher. »Wo sind wir?«, fragte sie schwach.
»Wir sind da. In Amerika, in Pennsylvania.« Margaretha räusperte sich, sie wusste nicht, was sie sagen sollte. Das Land, der Hafen, der keiner war, entsprach nicht ihren Vorstellungen. Wie würde die Mutter es finden?
»Wir sind da?«
»Ja, Moedertje, wir müssen das Schiff verlassen.« Margaretha half der Mutter auf. Ein säuerlicher Geruch stieg ihr in die Nase. Trotz der beengten Verhältnisse an Bord hatten sie sich immer bemüht, reinlich zu bleiben. Sie hatten die Wäsche gewechselt und sich gewaschen, wann immer es möglich war. Das Salzwasser hinterließ Spuren sowohl auf der Wäsche wie auch auf ihrer Haut, auch rochen sie anders. Doch der Geruch, der nun von ihrer Mutter ausging, war ein anderer. Sieroch alt. Obwohl Gretje die ganze Reise über schwach gewesen war, war sie Margaretha doch nie alt vorgekommen. Krank, aber nicht hinfällig. Erschrocken stützte sie nun ihre Mutter, brachte sie an Deck und mit viel Mühe schließlich an Land. Schnaufend blieb Gretje stehen und sah sich um.
»Hier sind wir also gelandet, das ist das verheißene Land.« Sie nickte.
Margaretha hielt die Luft an. Wie fasste ihre Mutter es auf?
Doch Gretje schaute sie nur an. »Und wohin gehen wir jetzt? Dies ist ja nur die Anlegestelle.«
»Ich weiß es nicht, Moedertje. Die Stadt soll eine halbe Stunde Fußmarsch von hier entfernt sein. Ich denke, dort werden wir nun hingehen.«
Gretje nickte. »Gut.« Dann ging sie zu einem Baumstamm, der auf dem Boden lag, und setzte sich. »Ich muss ein wenig verschnaufen. Ist dir auch schwindelig, Hartje?«
»Das war es zu Anfang. Weißt du noch, wie es die ersten Tage auf dem Schiff war? Da war uns schwindelig, weil alles schaukelte. Und nun ist uns schummerig, weil es nicht mehr schaukelt. Seltsam ist das. Aber es gibt sich wohl mit der Zeit. Ich bin froh, wieder festen Boden unter den Füßen zu haben.«
Der Missmut unter den Siedlern hatte sich gelegt. Eifrig halfen sie, den Matrosen das Schiff zu entladen. Nach und nach stapelten sich die Kisten und Kästen, die Körbe und Krüge auf dem schmalen Uferrand.
Ein Bote war nach Philadelphia geschickt worden, um Karren und Unterstützung zu holen. Während sie warteten, entzündeten die Siedler Feuer, hängten die gusseisernen Töpfe darüber. Ein schmaler Bach ergoss sich in den großen Strom, auf dem sie gesegelt waren, das Wasser war frisch und klar, und sie genossen es.
»Was bin ich froh«, sagte Gretje, der es inzwischen besser ging, »kein brackiges Wasser mehr aus faulenden Fässern trinken zu müssen.« Zufrieden schnitt sie Wurzeln und Pilze, die sie und Margaretha gesammelt hatten, in den Kessel.
»Steinpilze und Braunkappen gibt es hier, unter den Birken werden sich auch Röhrlinge finden.« Sie schaute sich um, lächelte. »Weiden gibt es ein Stück den Bach hinauf, Birken. Haselnüsse, Kastanien und Eichen. Der Boden scheint sehr gut zu sein.«
»Ja«, stimmte Margaretha zu. »Ich habe Heckenzwiebeln gefunden und wilde Möhren. Doch trotzdem wird es mühsam werden, ausreichende Mengen für den Winter zu sammeln.«
»Das mag sein, Dochtertje, aber wir haben keine Wahl.«
Gretje klang nüchtern, nicht resigniert, das gab Margaretha Hoffnung. Und doch zog sich ihr der Magen zusammen, wenn sie an den kommenden Winter dachte. Die Überfahrt hatte sie mehr von ihren Vorräten gekostet, als geplant war. Nur noch wenig Butter, Käse, Getreide und Speck war vorhanden. Voller Sorge zählte Margaretha die verbliebenen Fässer. Würde es eine Möglichkeit geben, Vorräte zu kaufen? Eine der vielen Fragen, die noch unbeantwortet waren.
Sie hatten gerade angefangen, die Suppe, die Gretje mit frischen Kräutern verfeinert hatte, zu essen, als sie Rufe hörten.
Dirck sprang auf und lief zu dem Pfad, der durch den Wald führte, etliche andere folgten seinem Beispiel.
Rebecca, die neben Margaretha auf dem Boden hockte, seufzte auf.
»Geht es dir nicht gut?«, fragte Margaretha besorgt. »Nimm noch etwas von der Suppe. Die frischen Kräuter und das wilde Gemüse werden uns stärken. Es schmeckt so wunderbar, endlich kein Brei mehr, kein ausgelassener Speck. Bald schon werden wir wieder Brot backen können.«
»Hoffentlich«, sagte Rebecca leise. Obwohl es warm war,
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