Die Heilerin
kann ich nicht beantworten. Es gibt einige Gehöfte, doch bisher gab es keinen Bedarf an Flachs, es wird deshalb vermutlich keiner angebaut worden sein. Jedenfalls nicht hier in der direkten Umgebung. Weiter südlich haben sich einige Holländer angesiedelt. Vielleicht wird dort Flachs angebaut. Ich bin zwar schon sechs Wochen hier, aber so weitreichend sind meine Erfahrungen noch nicht.«
Langsam gingen sie zurück.
»Jetzt, wo wir unter uns sind, wie gefällt Euch das Land?«, fragte Margaretha, ohne Pastorius anzusehen. Jonkie hielt sich dicht an ihrer Seite. Nur wenige andere Hunde hatte Margaretha bisher gesehen.
»Ach, Margret.« Pastorius seufzte. »Das Land ist wunderschön. Aber ob wir hier das erreichen, was wir vorhaben, das weiß ich immer noch nicht.« Er ging ein paar Schritte, sah sie dann an. »Ich habe es mir anders vorgestellt. Ich habe mir Penn anders vorgestellt.«
»Wie ist er denn?«, fragte Rebecca neugierig.
»Er ist reserviert. Anders, als ich gedacht habe.«
»Wie meint Ihr das? Kanntet Ihr ihn denn nicht?«
»Nein, Mevrouw op den Graeff, ich hatte nur mit ihm korrespondiert. Wir haben einige Briefe ausgetauscht, aber getroffenhatte ich ihn nicht. Erst hier wurden wir persönlich miteinander bekannt.«
»Wie habt Ihr ihn Euch denn vorgestellt, Franz Daniel?«, fragte nun auch Margaretha.
Pastorius zögerte. »Ich weiß nicht. Offener. Lebhafter. Er hat viele Dinge aus England mitgebracht. Sein ganzes Mobiliar. Das Haus wurde nach seinen Zeichnungen erbaut – alles im Haus ist edel und schön. Die Ziegel sind aus England hierher verschifft worden, auch das Fensterglas.«
»Nun ja, er kann es sich vermutlich leisten«, sagte Margaretha leise und dachte wehmütig an die Häuser in Krefeld zurück. Dort hatte sie sich wohlgefühlt, hier stand der kommende Winter bedrohlich vor ihnen. In dem Lagerhaus konnten sie auf keinen Fall überwintern.
»Zum einen kann er es sich leisten, zum anderen wird er in wenigen Wochen wieder abreisen. Seine Familie ist in England verblieben, er verbringt den Winter gemeinsam mit ihnen dort.«
»Ist das so?« Margaretha schüttelte den Kopf. »Ja, dann fällt einem auch der Glaube leicht, vermute ich«, fügte sie fast tonlos hinzu.
»Wo wohnt Ihr denn, Mijnheer Pastorius?« Rebecca fragte arglos.
Die Röte schoss über sein Gesicht, er senkte den Kopf, stellte Margaretha amüsiert fest.
»Ich … ich habe … vorerst wohne ich in der Stadt.« Er räusperte sich.
»Zu Untermiete?« Margaretha kostete seine Befindlichkeit aus, sie wusste von ihren Brüdern, dass Pastorius ein Haus samt Haushälterin angemietet hatte.
Pastorius warf ihr einen Blick zu, schüttelte dann beschämt den Kopf.
Inzwischen hatten sie wieder den Platz erreicht. Margaretha wollte ihn nicht noch länger quälen, deshalb ging sie wieder zu den Frauen, die dabei waren, ihre Ware zusammenzupacken.Sie hatte ein paar Geldmünzen in der Tasche, wusste aber nicht, ob die Währung angenommen werden würde. In dem Korb einer der Frauen waren noch drei Kohlköpfe. Margaretha zeigte darauf.
»Was kosten die?«, fragte sie und zeigte ihre Münzen. Die Frau, eine verhuschte Bäuerin, die ein Kopftuch statt einer Haube trug, schaute sich die Münzen an, nahm sie in die Hand, biss dann darauf. Unschlüssig wandte sie sich zu ihrer Nachbarin, tuschelte mit ihr, nickte dann Margaretha zu und gab ihr zwei der drei Kohlköpfe.
Margaretha war so entsetzt, dass sie nicht mehr nachfragte, sondern den Kohl nahm und ging. Rebecca und Pastorius hatten vor Penns Haus auf sie gewartet.
»Du siehst aus, als hättest du einen Geist gesehen«, sagte Rebecca.
»Ich habe für die beiden Kohlköpfe soviel bezahlt wie in Krefeld für zehn«, sagte Margaretha noch immer schockiert. »Himmeltje, wenn wir nicht ganz schnell eigene Vorräte sammeln, werden wir verhungern.«
»Sammeln? Willst du von den Feldern klauen?«
»Nein, Rebecca, natürlich nicht. Aber man kann mehr essen als nur Kohl. Die Wälder hier sind viel reicher an Wildpflanzen als bei uns, so scheint es mir. Es gibt Pilze und Wurzeln, es gibt jede Menge essbare Dinge, wir müssen sie zwar mühsam suchen, doch uns bleibt keine Wahl.«
Jeder in seine Gedanken und Sorgen versunken, gingen sie zurück. Inzwischen hatte die Sonne den Zenit schon überschritten. Im Lager waren nur wenige der Siedler. Gretje saß auf einer der Kisten an der Feuerstelle. Sie wiegte den kleinen Isaak in den Armen. Samuel und Mirjam spielten mit Holztieren, die ihnen
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