Die Heilerin
hatte ihr erzählt, dass sie zum Landungsplatz ging, sich dann zur Seite wandte und am Ufer entlangging, bis sie zu einer Stelle kam, wo ein Bach in den Delaware mündete. Dort gab es Gumpen und Unterspülungen, in die sie die Reusen legte, nachdem sie einige Reste der Kaninchen oder auch verfaultes Fleisch als Köder hineingetan hatte. Zu Anfang war ihre Ausbeute nur gering gewesen, doch dann hatte sie den Aufbau der Reusen verfeinert, und inzwischen war sie mehrfach mit gutem Fang zum Lager zurückgekehrt.
Hatte sich Rebecca nach rechts oder links gewandt? Margarethakonnte sich nicht erinnern. Sie ging zum Ufer, doch ein Trampelpfad führte zu beiden Seiten. Nirgends konnte sie ein Zeichen ihrer Schwägerin ausmachen.
»Wohin sollen wir gehen?«, fragte sie Jonkie hilflos, dann wandte sie sich nach rechts. Der Schuylkill mündete dort in den Delaware, vermutlich auch andere Bäche und Zuflüsse. Vor ihr lag eine Biegung, Margaretha verlangsamte den Schritt.
»Rebecca?«
Niemand antwortete.
»Rebecca? Wo bist du?« Ihre Stimme ging im Rauschen des Waldes unter. Die Wellen schlugen hoch ans Ufer, Gischt spritzte auf. Der Wind nahm zu. Mühsam kämpfte sie sich voran.
»Rebecca?« Ihr wurde bewusst, wie verzweifelt sie klang. Hinter der Biegung lag eine kleine Lichtung, ein Bach mündete in den Fluss. Margaretha hielt inne, ließ den Blick über die Lichtung schweifen. Plötzlich sträubte Jonkie das Nackenfell, knurrte. Immer noch hielt sich der Hund dicht an ihrer Seite.
»Was ist?«, flüsterte Margaretha, dann sah sie Rebecca. Ihre Schwägerin hockte am Ufer, wie zu Stein erstarrt, die Reuse halb hochgezogen. Am Waldrand stand ein großes Tier mit zotteligem Fell auf den Hinterbeinen und streckte die Nase in den Wind.
Jonkie knurrte wieder, legte sich vorsichtig hin, die Lefzen hochgezogen.
»Gottegot, das muss ein Bär sein«, wisperte Margaretha. Sie warf einen Blick zu Rebecca. Ihre Schwägerin hatte sie entdeckt und sah sie verzweifelt an. Margaretha schüttelte den Kopf.
Hemeltje hilf, dachte sie entsetzt, was sollen wir tun?
»Ruhig, Jonkie«, befahl sie dann so fest sie konnte. Sie sah Rebecca an, versuchte ihren Blick festzuhalten, zeigte mit der flachen Hand nach unten.
Rebecca schüttelte leicht den Kopf, verstand die Botschaftnicht. Margaretha holte tief Luft, schaute wieder zu dem Bär. Dieser stand nicht mehr aufrecht, aber hielt immer noch die Nase in den Wind, der sich gedreht hatte. Nun kamen die Böen vom Land.
Er hat unsere Witterung verloren, dachte Margaretha, das ist unsere Chance. Wieder winkte sie Rebecca, zeigte ihr, dass sie die Reuse fallen lassen sollte. Endlich verstand sie die Botschaft. Sie ließ die Leine aus der Hand gleiten, die Reuse glitt zurück ins Wasser. Für einen Moment zögerte Rebecca, dann griff sie nach einem Stein, legte ihn auf die Zugleine. Schließlich stand sie langsam auf, den Blick fest auf Margaretha gerichtet.
Margaretha schaute zum Bären, er wiegte sich unschlüssig vor und zurück, schnupperte immer wieder.
Vorsichtig richtete Rebecca sich auf, ging auf ihre Schwägerin zu. Der Bär drehte sich um, verschwand dann im Dickicht.
»Er ist weg! Liever Hemel! Ich hatte so eine Angst!« Rebecca fiel Margaretha in die Arme. Die beiden Frauen hielten sich fest, schauten verängstigt zum Waldrand.
»Lass uns gehen«, sagte Margaretha und zog ihre Schwägerin mit sich.
»Warte, die Reuse.«
»Vergiss sie, komm, bitte.«
Doch Rebecca befreite sich aus Margarethas Griff, lief zurück zum Flussufer. Hastig zog sie die Reuse aus dem Wasser und hob sie hoch. »Schau, lauter Krebse und auch zwei Fische habe ich gefangen«, sagte sie stolz, aber auch atemlos. Der nasse Behälter war zu schwer, um ihn zum Lager zu tragen, und die Zeit drängte. Sie schüttete ihn aus, sammelte den Fang ein und legte ihn in den Korb.
Der Wind frischte immer mehr auf. Besorgt sah Margaretha sich um. Sie hoffte, dass der Bär sich in die Tiefen des Waldes verzogen hatte und sie vor dem Unwetter zu Hause sein würden. Mühsam kämpften sie gegen den Wind an, als sie fast das Ende des Pfades erreicht hatten, fielen die erstenTropfen. Der Himmel hatte eine bedrohliche Farbe angenommen, in der Ferne zuckten die ersten Blitze.
»Komm, schnell!«, rief Margaretha und zog Rebecca mit sich. Sie liefen aus dem Wald hinaus auf die Lichtung vor der Ortschaft. Plötzlich prasselte der Regen los, alles war für einen Augenblick unscharf wie im Traum. Sie erreichten das Lagerhaus, als in
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