Die Heilerin
verantwortlich und werde jetzt noch einmal Penn aufsuchen, um mit ihm zu sprechen.«
»Was glaubt Ihr, warum er sich so verhält?«
»Ich weiß es nicht. Die einzige Erklärung, die ich finden kann, ist, dass er Angst hat.«
»Angst? Weshalb?«
»Vor Euren Brüdern.« Pastorius schüttelte den Kopf. »Er sieht sie als Gefahr für seinen Staat. Sie sind zielstrebig, ruhen in sich und haben eine große Gruppe hinter sich.«
»Aber wieso sind sie eine Gefahr für ihn? Das ist doch Onzin. Hemeltje, hätte Hermann das gewusst, hätte er uns sicher nicht hierher geführt.«
»Margret.« Pastorius nahm ihre Hände und hielt sie fest. »Macht Euch keine Sorgen. Wir werden eine Lösung finden. Ich werde alles dafür tun.«
Margaretha schüttelte den Kopf. »Es dauert schon so lange. Meiner Mutter geht es schlecht. Jeden Tag wird sie schwächer. Auch einige andere sind krank.«
»Ja, ich weiß.« Er senkte den Kopf. »Es ist mir nicht verständlich, warum Penn so uneinsichtig ist. Vielleicht gibt es ja irgendeinen Grund, den wir noch nicht kennen.« Er seufzte. »Über die Schwachen und Kranken habe ich mir auch schon Gedanken gemacht. Euch alle kann ich nicht in mein Haus aufnehmen, die, die erkrankt und schwach sind, schon.«
»Das würdet Ihr tun?« Plötzlich schossen ihr Tränen in die Augen.
»Natürlich.« Einen Moment lang sah er sie unschlüssig an, dann wischte er vorsichtig die Tränen von ihrer Wange, nahm sie in den Arm. »Beruhigt Euch. Alles wird gut.«
Margaretha lehnte sich an ihn, spürte den rauen Wollstoff seines Mantels an ihrer Wange. Er roch nach feuchter Wolle, Pfeifentabak und Rauch. Sie schloss die Augen, spürte die Wärme seiner Umarmung und fühlte sich für einen Augenblick geborgen. Doch dann löste sie sich aus seiner Umarmung und sah sich verschämt um. Verlegen sah Pastorius sie an, Margaretha wich seinem Blick aus, spürte die Röte ihren Hals hochziehen.
»Ich werde dann noch einmal versuchen, bei Penn vorzusprechen«, sagte Pastorius unsicher.
»Gut.« Margaretha drehte sich um und ging zurück in das Lagerhaus. Stickig war es dort und voller unangenehmer Gerüche. Sie hatte am Waldrand einen Abort gegraben, aber die Schwachen und Kranken schafften es kaum dorthin. Die Nachttöpfe stanken bestialisch, es roch nach faulendem Stroh und verwesendem Fleisch. Das wenige Räucherfleisch, was von der Überfahrt noch übrig geblieben war, hatten sie in die Dachbalken der Scheune gehängt. Ratten machten sich darüber her, und nachts scharrten Füchse und Waschbären vor der Scheune. Unruhe lag in der Luft. Die kleinen Kinder weinten, die Alten stöhnten, Männer diskutierten, während die Frauen versuchten, aus den kargen Vorräten Essen zu kochen.
Margaretha schaute sich unschlüssig um, ihr war es zu lärmend und angespannt. Sie brauchte einen Moment, um ihre Gedanken und Gefühle zu sammeln.
»Wo ist Rebecca«, fragte Dirck.
»Sie ist zum Fluss, Reusen auslegen. Es wird langsam dunkel. Soll ich sie holen?« Margaretha wartete seine Antwort nicht ab, sondern ging in Richtung Fluss. Jonkie folgte ihrmunter. Jeder Spaziergang war für sie ein aufregendes Abenteuer, immer noch gab es neue Gerüche, neue Dinge zu entdecken. Obwohl Margaretha jeden Tag in die Wälder ging, war es für sie immer noch beängstigend. Sie fürchtete die unbekannten Tiere und die Wilden. Jonkie, die sie in Krefeld so gut gegen pöbelnde Menschen verteidigt hatte, war hier kein ausreichender Schutz. Sobald der Hund Witterung aufnahm, verschwand er im Gebüsch. Zu lockend waren die Gerüche.
Es wird schon nichts passieren, sagte sich Margaretha und warf einen besorgten Blick zum Himmel. Dunkle Wolken türmten sich auf und kündigten ein Unwetter an. Der Wind hatte zugenommen, die Bäume rauschten wie Wasser. Sie eilte den Weg entlang, sah sich immer wieder um. Niemand folgte ihr, es kam ihr auch keiner entgegen. Der sonst so belebte Pfad lag einsam da, alle hatten sich vor dem Gewitter in Sicherheit gebracht.
Wo bleibt Rebecca nur?, dachte Margaretha unruhig. Sie muss mir doch jeden Moment entgegenkommen, ihr werden doch die Wolken nicht entgangen sein.
Doch Rebecca kam nicht. Bei jeder Wegbiegung hoffte Margaretha und wurde enttäuscht. Schließlich gelangte sie zu der Lichtung am Landeplatz. Jonkie war an ihrer Seite geblieben, drückte sich auch jetzt an sie. Margaretha blieb stehen, schaute sich um, das Gras war niedergetreten, der Boden aufgewühlt und zerfurcht von den Rädern der Karren. Rebecca
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