Die Heilerin
die alte Frau an Unterhaltungen.
Margaretha war aufgesprungen und reichte Gretje nun einen Becher mit dem Aufguss. »Hier, Moedertje.«
Gretje schüttelte den Kopf. »Lass gut sein, Hartje. Es hilft nicht.«
»Schlimmer wird es dadurch aber auch nicht.« Sie seufzte. »Ich wünschte, es wäre schon Frühling und ich könnte frische, wirksamere Pflanzen verwenden.«
»Bis zum Frühling ist es noch lange hin.« Esther schaute besorgt zu ihrer Schwiegermutter. »Erst müssen wir den Winter überstehen.«
»Immerhin werden wir den Winter auf unserem eigenen Land verbringen«, sagte Gretje.
»Moedertje, Mijnheer Pastorius hat angeboten, die Kranken und Schwachen aus unserer Mitte den Winter über bei sich zu beherbergen. Ich finde, das ist eine wunderbare Idee.«
Gretje schaute sie nachdenklich an. »Du willst mich hier in der Stadt lassen?«
»Nur zu deinem Besten. Er hat ein Haus, wer weiß, wie unsere Behausungen aussehen werden.«
»Ja, Margret, er hat ein Haus. Aber ihr seid meine Familie. Wir sind gemeinsam hierher gekommen, haben die Reise, die Überfahrt überstanden. Ich werde mich jetzt nicht vor einen fremden Ofen setzen. Ich mag alt sein, aber ich bin nicht so hinfällig, dass ich mich von euch trennen werde.« Sie schluckte, hustete. »Vielleicht ist dies mein letzter Winter. Sehr wahrscheinlich sogar. Aber die letzten Tage möchte ich mit euch, mit meiner Familie verbringen.«
Margaretha stiegen die Tränen in die Augen, und so sehr sich auch bemühte, sie konnte sie nicht zurückhalten.
»Moedertje!« Sie schlang die Arme um Gretje, wiegte sie beide, schluchzte.
»Hartje, min Dochterje, wir alle müssen irgendwann sterben. Der Tod gehört zum Leben dazu.«
»Aber doch nicht du und nicht jetzt.«
»Den Zeitpunkt bestimmt Gott allein.« Gretje schob ihre Tochter von sich, sah sie an. »Ich danke Gott, dass ich euch bis hierher begleiten durfte. Ich bin froh, mit euch in dieses Land gekommen zu sein. Aber ich weiß auch, wie krank und schwach ich bin. Natürlich möchte ich diesen Weg noch weitermit euch gehen, aber ich hadere auch nicht, falls es nicht so sein sollte. Ich habe mein Leben gelebt, und es war gut.« Sie holte tief Luft. »Doch abgeschoben werden möchte ich nicht.«
»Ach, Moedertje, wir wollen dich nicht abschieben. Der Gedanke war nur …«
»Zu meinem Besten. Ja, ich weiß, min Dochtertje. Komm her.« Sie strich mit ihren rauen, faltigen Händen über Margarethas Gesicht, sah ihr in die Augen, schloss sie dann in die Arme.
Kapitel 29
Am 24. Oktober 1683 ließ Sir William Penn vierzehn Besitzungen vermessen. Jede Siedlerfamilie bekam insgesamt fünfzig Acker an Land. Da sie eine Ortschaft gründen wollten, beschlossen die Familien die Grundstücke nochmals aufzuteilen. Rechts und links des alten Waldpfades steckten sie ihre Besitzungen ab. Drei Acker für jede Familie waren ausreichend, um ein Haus darauf zu bauen und einen Garten anzulegen. Die großen Flurstücke lagen abseits der geplanten Siedlung. Sie einigten sich darauf, das Los entscheiden zu lassen.
In aller Eile fällten sie die Bäume an dem alten Pfad und bauten daraus schlichte Hütten. Aus grob behauenen Steinen fügten sie Kamine. Die Unterkünfte waren einfach, ein Raum, der Kamin an der Stirnseite, eine umlaufende Bank an den Wänden. Tagsüber war dies die Sitzgelegenheit, nachts wurde daraus das Lager. So bauten sie ein Haus nach dem anderen. Die Männer brachen Steine, sägten Holz, fügten Balken ineinander, während die Frauen und Kinder die Ritzen und Fugen mit Lehm und Moos stopften, um die Zugluft abzuhalten.
Gerade rechtzeitig vor Einbruch des Winters waren die Hütten errichtet.
Das Los hatte den Brüdern drei Grundstücke beschieden, die auf der westlichen Seite der Straße lagen. Margaretha und Gretje zogen zu Hermann. Obwohl jede Familie nun eine eigene Hütte besaß, trafen sie sich fast jeden Abend bei dem Ältesten der Brüder.
»Wir müssen anbauen«, sagte Esther verstimmt. »Es ist zu eng für uns alle.«
»Wir könnten ja heute mal zu Abraham und Catharina gehen.« Margaretha lachte bitter auf. »Du hast recht, es ist zu eng.« Sie sah ihren Bruder nachdenklich an. »Was wird aus mir, Hermann?«
Erstaunt schaute er sie an. »Was meinst du?«
»Ich bin euch hierher gefolgt, bin mit euch gezogen, voller Hoffnung und Glauben. Lieber wäre ich in Krefeld geblieben, aber nun sind wir hier. Doch was wird aus mir? Soll ich ewig bei euch wohnen? Dir und Esther den dürftigen Platz
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